Schule in Finnland erleben

Der Grundschulstudierende Felix Salomon berichtet von seinen Erfahrungen mit Schule in Finnland.

Foto: Die Schule setzt in ihrer Unterrichtskonzeption auf selbstgesteuertes und bewegtes Lernen, bei dem Lernende selbst entscheiden können, eine Übung an einem Sportgerät im Klassenzimmer zu machen.

 

Ein wichtiger Teil des lebenslangen Lernens ist es, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Dabei muss man zwangsläufig auch mal den eigenen Komfort-Bereich verlassen. Ich habe durch ein Erasmus-Austauschprogramm eine besondere Gelegenheit bekommen, viele neue Erfahrungen und Erkenntnisse zu erlangen. Im Rahmen meiner Anstellung als Drittmittellehrkraft an der Grundschule Treuchtlingen durfte ich zusammen mit einer anderen Lehrkraft eine christliche Privatschule in der finnischen Partnerstadt Jyväskylä besuchen. In einer Woche erhielten wir verschiedene Einblicke in das Schulsystem, die pädagogische Arbeit, den Schulalltag sowie auch in die Kultur, Historie und Kulinarik. Voller Erwartungen und auf der Suche nach dem Geheimnis des scheinbar so überlegenen finnischen Schulsystems machten wir uns auf die Reise.

Im Rahmen verschiedener Unterrichtsbesuche, eines Vortrags über das finnische Schulsystem, der Teilnahme an einer Lehrer*innenkonferenz und in vielen Gesprächen zeigte sich, dass in Finnland einige systemische Voraussetzung wesentlich besser als in Deutschland sind. Wie laut Aussage des Schulleiters auch an privaten Schulen, liegt die Klassengröße im Normalfall bei 15-20 Schüler*innen und in seltenen Fällen bei maximal 25 Lernenden. Diese werden häufig nicht nur durch eine Lehrkraft beschult, sondern erfahren auch durch eine zweite Lehrperson, welche jedoch nicht unbedingt eine pädagogische Ausbildung haben muss, Unterstützung. Außerdem darf in Finnland Bildung die Erziehungsberechtigten nichts kosten, weshalb neben Schulbüchern und Heften auch alle Exkursionen vom Staat/ der Stadt bezahlt werden. Des Weiteren leidet das Land nicht unter einem Lehrkräftemangel, weshalb es in Finnland relativ schwierig ist, eine Stelle zu erhalten. So werden an den Universitäten nur ca. zehn Prozent der Bewerber*innen angenommen. Diese müssen sich dann nach Abschluss des Studiums direkt bei den einzelnen Schulen bewerben, welche dann meist aus einer großen Anzahl an Bewerbungen auswählen können, weshalb ein gewisser Anreiz gegeben ist, sich im Beruf zu engagieren. Der Grund für die hohe Beliebtheit des Lehrberufs ist dabei wohl die gesellschaftliche Anerkennung und der persönliche Idealismus der*des Einzelnen. Im Gegensatz zu Deutschland sind die Lehrer*innen nicht verbeamtet und bekommen lediglich ein Bruttomonatsgehalt von etwas über 3000 Euro bei deutlich höheren Lebenshaltungskosten. Das Vertrauen in die gute Arbeit der Lehrkräfte zeigt sich auch darin, dass es keine Schulaufsichtsbehörde gibt.

Neben diesen systemischen Differenzen gibt es jedoch auch Unterschiede in der Pädagogik, die meiner Meinung nach Vorteile mit sich bringen. So sollen Unterrichtsstunden, in denen Lehrkräfte sich bisher bereits mit ihren Klassen zu Themen wie Zufriedenheit, Umgang mit schwierigen Situationen, Sinn im Leben, psychischer und auch physischer Gesundheit und Ähnlichem beschäftigt haben, zukünftig als eigenes Unterrichtsfach im Stundenplan verortet werden. Außerdem fiel mir vor allem bei den Unterrichtsvisitationen auf, dass die Lehrer*innen mit einem ganzheitlichen Blick auf die Schüler*innen arbeiten: Das Erreichen bestimmter Leistungsziele, wie die Bearbeitung möglichst vieler Aufgaben, Übungen und Arbeitsblätter, war im Vergleich zu ähnlichen Stunden, die ich an deutschen Schulen gesehen habe, weniger im Fokus gestanden. Dafür betonten die finnischen Pädagog*innen den Lernenden gegenüber regelmäßig, dass das Ziel des Unterrichts ist, dass die Kinder etwas mitnehmen. Zu diesem ganzheitlichen Bildungsaspekt ist zudem aufgefallen, dass die meisten Lehrkräfte mit einer besonderen Leidenschaft unterrichten, dies liegt sicher nicht nur an den unsichereren Anstellungen außerhalb des Beamt*innensystems, sondern auch an der Begeisterung für den Beruf, insbesondere für die individuelle Förderung der*des einzelnen Schüler*in.

Einiges wäre sicher auch in Deutschland umsetzbar, ich nehme mir beispielsweise vor, in Zukunft mehr auf das einzelne Kind zu achten und in meiner Wahrnehmung nicht vor einer Klasse, sondern vor vielen heterogenen Schüler*innen mit ganz individuellen Befinden zu stehen. Der Erfolg meiner Arbeit als Drittmittelkraft misst sich für mich nicht mehr (nur) darin, wie viele Arbeitsblätter ich mit den Kindern bearbeiten konnte, sondern, darin, dass die Schüler*innen Erfolgserlebnisse haben konnten und etwas mitgenommen haben. Ich versuche in Zukunft im Rahmen meiner Möglichkeiten, die von mir organisierten Unterrichtseinheiten möglichst abwechslungsreich, interaktiv und bewegt zu strukturieren.

Nutzt die Gelegenheiten für Blicke über den eigenen Tellerrand und bleibt neugierig. Ich bereue inzwischen kein Auslandssemester gemacht zu haben und freue mich nun durch Erasmus die Chance zu haben, andere Schulsysteme kennenzulernen.

Rückfragen können gerne über die KU-Adresse von Felix Salomon gestellt werden.

Hier finden Sie außerdem Hintergrundinformationen zum genannten ERASMUS+ - Projekt der Grundschule Treuchtlingen (Ansprechpartnerin: Marion Kremer) "Welcome to our town- Welcome to new friends"