Die Germanistik der KU auf dem Deutschen Germanistentag 2025
Der 28. Deutsche Germanistentag 2025 fand vom 14. bis 17. September zum Thema „Dialog“ an der TU Braunschweig statt. Die Eichstätter Germanistik war mit einem Doppelpanel zum Thema „Dialogspuren in frühneuzeitlichen Verbrechenstexten“ vertreten. Das Doppelpanel, organisiert von Prof. Dr. Caroline Emmelius und Prof. Dr. Isabelle Stauffer, befasste sich mit Texten über Verbrechen und ihre Bestrafung in der Frühen Neuzeit, wie Fallberichten in Flugblättern und Flugschriften, Ego-Dokumenten, Sammlungen von Mordgeschichten und Dramen zu prominenten Exekutionen, in denen sich gehäuft Spuren von Dialogen finden. Sie erscheinen in den Strukturen der gerichtlichen Untersuchungen (Verhöre, Geständnisse), in letzten Gesprächen auf dem Weg zur Hinrichtung, aber auch in der Kommunikation zwischen den Erzählinstanzen der Texte und dem angezielten Publikum.
Abb. 1: Ausschnitt aus dem Einblattdruck Jemmerliche Zeitung /vnd Schröckliche Mordthaten Frantzen Seuboldts […], Nürnberg: Lucas Mayer, 1589/1590, mit freundlicher Erlaubnis des Germanischen Nationalmuseums.
Einblattdrucke und Flugschriften mit Fallberichten weisen vielfach Spuren vorausgehender brieflicher Kommunikation auf. Eine weitere Ebene öffnet sich mit der Rezeption der Texte, die nicht selten vorgelesen wurden.
An Familienmorden im Tagebuch des Nürnberger Henkers Franz Schmidt (1573-1618) und in Nürnberger Einblattdrucken konnten Caroline Emmelius und Isabelle Stauffer Spuren von Verhören und Zeugenbefragungen sowie intertextuelle Dialoge nachzeichnen. An den Einträgen und dem Einblattdruck zu den Kindsmörderinnen zeigte sich zudem eine Gender-Komponente: Die Taten und Strafen von Verbrecherinnen wurden anders erzählt als diejenigen von Verbrechern. Franziska Kellermann befasste sich mit der Dialogizität von Verbrechenserzählungen in unterschiedlichen Auflagen von Jörg Wickrams Erzählsammlung Rollwagenbüchlein. An Georg Philipp Harsdörffers Jämmerlichen Mordgeschichten (1649-1650) zeigten Veronika Born und Kerstin Dierolf auf, wie manche Verbrechen vor einem kolonialen Hintergrund stattfinden, der den hierarchisierten Dialog zwischen imperialem Zentrum und Kolonie spiegelt. Die spektakuläre Hinrichtung König Charles I. ist, in Andreas Gryphius’ Drama Carolus Stuardus (1657/1663), gleich ganz in literarischen Dialog transformiert. Mit diesem Text befassten sich gleich zwei Vorträge: Marian Langer setzte sich damit auseinander, wie die Hinrichtung Karl I. im Spannungsfeld von Königs- und Tyrannenmord verhandelt wird. Lucie Mair untersuchte den Dialog zwischen Theater-, Hinrichtungs- und Weltbühne in diesem Stück.
Mit den unterschiedlichen Zugängen der Mediävistik, der Neueren deutschen Literaturwissenschaft und der Sprachwissenschaft untersuchte das Doppelpanel, auf welchen konzeptionellen Ebenen Dialogspuren in frühneuzeitlichen Texten zu finden sind und in welchem Verhältnis sie etwa zum narrativen Diskurs stehen.
Abb. 2: Marian Langer, Isabelle Stauffer, Caroline Emmelius, Veronika Born, Kerstin Dierolf, Lucie Mair und Franziska Kellermann an der TU Braunschweig
Das Doppelpanel lotete das Spannungsfeld zwischen mündlichen und schriftlichen Produktions- und Rezeptionsformen aus und beschrieb rhetorische Muster in unterschiedlichen Stadien von Verschriftung und Verschriftlichung. Dabei diente ein weiter Dialogbegriff im Sinne Michail Bachtins als methodische Grundlage.