Nachrichten

Aktuelle Nachrichten

Fenster in die dunkle Zeit: Universitätsbibliothek archiviert NS-Zeitung „Donaubote“

Die Presse hat den Nationalsozialisten als zentrales Propagandainstrument gedient. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist der „Donaubote“, der 1927 in Ingolstadt als wohl erste NS-Lokalzeitung gegründet wurde. Für die Wissenschaft ist das Hetzblatt ein wichtiger Untersuchungsgegenstand, der nun durch die Universitätsbibliothek verfügbar gemacht wird. Die gedruckten Bände sind eine Schenkung des „Donaukuriers“ und wurden ergänzt durch Bestände der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek Ingolstadt.

Angestoßen hat die Übernahme des Archivbestands der Eichstätter Journalistik-Student Dominik Zarychta. In seiner Bachelorarbeit befasste er sich mit dem „Donaukurier“ zwischen 1945 und 1949. Um Einsicht in das Archivmaterial zu bekommen, stand Zarychta in Kontakt mit dem stellvertretenden Chefredakteur des Donaukuriers, Christian Fahn. Der gewährte dem Studenten nicht nur Zugang zum hauseigenen Archiv der Zeitung, sondern verwies auch darauf, dass die Bestände vor 1945 aktuell nicht zugänglich seien, aber dass nach einer Möglichkeit gesucht werde, diese an eine wissenschaftliche Einrichtung zu übergeben. Der direkte Vorläufer des ab September 1945 erscheinenden „Donaukurier“ war der im April 1945 eingestellte „Donaubote“. Der gilt als wahrscheinlich erste NS-Tageszeitung überhaupt und war ab der Gleichschaltung die einzige Tageszeitung im Raum Ingolstadt.

„Nach und nach habe ich während der Erstellung meiner Bachelorarbeit realisiert, was für ein historisch spannendes Konstrukt der Donaubote ist, und mich an Herrn Fahns Worte erinnert“, erzählt Dominik Zarychta. Mit Unterstützung seiner Professorin Friederike Herrmann sprach er das Thema bei der Universitätsbibliothek der KU an. Der „Donaukurier“ meldete sich prompt zurück – die KU könne die „Donaubote“-Bestände gerne übernehmen. Zarychta und Herrmann holten daraufhin im Sommer 2024 die Universitätsbibliothek ins Boot. „Bibliotheken und Archive bilden ein Netzwerk, um Überlieferung zu sichern. Der Donaubote ist nur an sehr wenigen Stellen vorhanden, deshalb haben wir uns an der Aufgabe beteiligt“, sagt Gernot Lorenz, leitender Mitarbeiter der Universitätsbibliothek.

Jahrgangsbände des Donauboten
Jahrgangsbände des Donauboten im Magazin der Universitätsbibliothek.

Im September 2024 gingen die Archivbestände des „Donaukuriers“ als Schenkung an die KU und dort zunächst aus Sorge vor Schädlingen in die Quarantäne. Parallel bemühte sich die Universitätsbibliothek erfolgreich um eine Vervollständigung der Reihe, da im „Donaukurier“-Bestand einige Jahrgangsbände des „Donauboten“ fehlten. Die Wissenschaftliche Stadtbibliothek Ingolstadt verfügte neben einem vollständigen Satz des „Donauboten“ über mehrere gedruckte Dubletten und Mikrofilme, die sie der KU überlies. „Die Jahrgänge 1927 bis 1945 haben wir nun vollständig auf Mikrofilm, unter den gedruckten Bänden fehlen nur die Jahrgänge 1931 und 1945“, berichtet Gernot Lorenz. „Sollte jemand genau diese Jahrgänge in einem passablen Zustand noch in seinem Keller haben, sind wir an einer Schenkung interessiert.“

Für ideologisch geprägte Medien aus der Zeit des Nationalsozialismus wie den „Donauboten“ gelten in Bibliotheken besondere Nutzungsregeln, um Missbrauch zu verhindern. Zugang zu diesen Sonderbeständen bekommt nur, wer ein wissenschaftliches oder pädagogisches Interesse begründen kann. Dominik Zarychta hat sich vorgenommen, im Rahmen seiner Masterarbeit in der Journalistik die Jahrgänge 1927 bis 1930 des „Donauboten“ zu untersuchen: „Mich interessiert, wie in so einem Blatt berichtet wurde, bevor die Gleichschaltung kam und der Nationalsozialismus zur Einheitsmeinung wurde.“ Dabei plant er zum Vergleich auf die Archivbestände der „Ingolstädter Zeitung“ in der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek Ingolstadt zurückzugreifen. Die katholisch-konservative Zeitung wurde 1935 im Zuge der Gleichschaltung vom „Donauboten“ geschluckt. 

Federführend dabei war Wilhelm Reissmüller, der ab 1937 als Verlagsleiter des „Donauboten“ fungierte und im gleichen Jahr Elin Liebl, die Tochter des Gründers und Herausgebers Ludwig Liebl, heiratete. Nach Ende der Lizenzpflicht 1949 bis zu seinem Tod 1993 war Reissmüller Herausgeber des „Donaukuriers“. Die Zeitung blieb bis 2016 in der Hand der Familie und wurde zum 1. Januar 2017 an die Mediengruppe Bayern in Passau verkauft. Reissmüller bestritt Zeit seines Lebens, Nationalsozialist gewesen zu sein. Der Investigativjournalist Thomas Schuler zeigte jedoch 2024 u.a. in der „Süddeutschen Zeitung“ auf, dass Reissmüller tief in den Nationalsozialismus verstrickt war und dies gezielt versuchte zu vertuschen. Der Ingolstädter Stadtrat hat das Institut für Zeitgeschichte in München mittlerweile mit einem Gutachten zur NS-Vergangenheit Reissmüllers beauftragt. Das Ergebnis soll 2028 vorliegen. 

Für Dominik Zarychta ist dieser Fall symptomatisch und einer der Gründe, warum er sich so für die Gewinnung des „Donaubote“-Archivbestands eingesetzt hat: „Viele fragen, wozu man sich 80 Jahre danach noch mit diesem Kapitel der deutschen Geschichte beschäftigt – aber die NS-Aufarbeitung beginnt vielerorts erst jetzt.“ Auch Gernot Lorenz unterstreicht, wie wichtig der Blick in die Vergangenheit gerade heute ist: „Es geht darum zu verstehen, mit welchen Mechanismen die öffentliche Meinungsbildung manipuliert und gesteuert werden sollte. In einer Zeit von Fake-News kann der Abstand historischer Analysen unseren Blick für die Gegenwart schärfen.“

Archiv