Im letzten Jahr habe ich an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt die Lehre der Theaterpädagogik übernommen: von den Grundlagen der Theaterpädagogik und der Theatergeschichte über die Didaktik, hin zur Dramaturgie- und Inszenierungspraxis.
Schauspielerinnen oder als Schauspieler wiederholen Szenen und Abläufe oft viele Male Man könnte meinen, irgendwann wüsste man ganz genau, was geschehen wird und wie es sein wird. Ungefähr stimmt das auch. Und doch: Jedes Mal ist neu. Jede Aufführung – ist das Stück auch dasselbe – ist anders.
In meiner eigenen Ausbildung zur Darstellerin ist mir ein Satz meines Lehrers besonders in Erinnerung geblieben:
„Most important is what you don´t know.“
Noch Jahre später kaute ich an diesem Satz und fragte mich: Wie kann das sein? Nun haben wir so viel Technik und Methodik gelernt, unsere Szenen sind gekonnt einstudiert. Wie kann das, was ich nicht weiß, dabei am wichtigsten sein? Ist denn nicht bedeutsamer, was mir schon sicher ist, wie beispielsweise die Charakterzüge meiner Rolle oder die fixierten Übergänge?
Wenn ich heute zurückblicke, begreife ich, dass mich die Offenheit für das Ungewisse, empfänglich gemacht hat für das, was im Moment geschieht.
Wie reagiert das Publikum auf diesen Satz? In welcher Intensität gibt mir meine Mitspielerin heute ihren Text? In welcher Verfassung bin ich selbst? Die kleinen Nuancen machen den Unterschied.
Lege ich mein Augenmerk auf eben diesen leeren Raum des Nichtwissens, bleibe ich präsent. Und das ist der größte Schatz, den ich dem Publikum, meinen Mitspieler_innen und mir selbst geben kann. Dann kann ich ganz im Spielen aufgehen und auf die feinen Unterschiedlichkeiten eingehen. Damit wird Neues entstehen, Unverhofftes, Ungeahntes und das ist lebendig. Alle können das spüren.
Es war mir wichtig, den mir anvertrauten Studierenden ein Lernfeld zu eröffnen, welches Erfahrungen in diesem, von mir selbst erfahrenen Gebiet, möglich macht. Ausgehend von Improvisationen sind im Seminar der „Wanderbühne“ beispielsweise Szenen entstanden, welche die Grundlage für unser Stück I need a hero formten. Die Studierenden bekamen während des Semester Aufgaben gestellt, die sie in Kleingruppen lösten und die als Ausgangspunkt improvisierter Erkundungen dienten.
Nicht zu wissen, was bei der nächsten Improvisation herauskommt, ist ein Wagnis. Für viele war das herausfordernd – und es ist herausfordernd! Es ist nicht leicht, Erwartungen, die wir an uns selbst und andere stellen, oder bestimmte Vorstellungen davon, wie etwas zu sein hat, loszulassen. Es ist ein langer Weg, sich „frei zu spielen“ und wahrscheinlich ist es auch nichts, was man einmal erreicht und dann für immer innehat. Es ist ein Prozess, sich Schritt für Schritt von inneren Blockaden zu lösen. Löst man auf dem Weg ein paar davon auf, kann man förmlich fühlen, wie die Spielfreude sich erhöht, die Beweglichkeit in Körper und Geist zunimmt und die Selbstverständlichkeit Dinge zu tun, wächst. Ideen beginnen mehr und mehr zu sprudeln und in allem begegnet man: sich selbst.
Ich danke allen Studierenden für ihren Mut und ihre Bereitschaft, ins kalte und manchmal wärmere Wasser zu springen. Ich weiß, dass das oft nicht leicht war, und doch habt ihr es gewagt und im besten Falle Erkenntnisse daraus gewonnen.
Ich danke meinen lieben Kolleginnen im Team der Deutschdidaktik für unermüdliche Kooperationsbereitschaft und den Austausch.
Ich bin froh über meine Erfahrungen an der KU Eichstätt-Ingolstadt, die mich selbst durch Prozesse des Nicht-Wissens gehen und damit wachsen haben lassen!
Mit herzlichen Grüßen
Anna Ach