News am Lehrstuhl für Ältere deutsche Literaturwissenschaft

Dr. Katrin Sturm vom Handschriftenzentrum Leipzig zu Gast am Lehrstuhl ÄdL

Mit mittelalterlichen Handschriften, ihren Eigenheiten, aber auch Herausforderungen beschäftigten sich Studierende der KU in diesem Sommersemester im Rahmen der von Prof. Dr. Caroline Emmelius vom Lehrstuhl für ältere Deutsche Literaturwissenschaft geleiteten Lehrveranstaltung „Einführung in die mittelalterliche Textüberlieferung: Handschriften, frühe Drucke, Flugpublizistik“. Passend dazu besuchte Katrin Sturm vom Handschriftenzentrum Leipzig am 22. Mai 2025 das Seminar, um die Studierenden an ihrem umfassenden Knowhow zur Handschriftenerschließung teilhaben zu lassen.

Warum findet sich in mittelalterlichem Papier das Motiv einer Weintraube, wie kann Butterbrotpapier bei der Datierung von Papier hilfreich sein und was hat es mit der Suche nach dem Bären auf sich? All das und mehr teilte die Leipziger Kodikologin Katrin Sturm mit Studie-renden der Germanistik während eines Workshops in der Eichstätter Hofgartenbibliothek. Der Plan für die Sitzung war eine Art ‚Speeddating‘ mit bisher nicht erschlossenen Handschriften. Es gibt zu diesen Manuskripten also weder in einschlägigen Datenbanken, wie dem Handschriftenportal noch in Handschriftenkatalogen genaue Informationen über deren Herkunft, Entstehungszeit, Ausstattung und Inhalt – all dies konnte also theoretisch während des Workshops entdeckt werden. 

Ganz praktisch führte Katrin Sturm die Techniken der Handschriftenerschließung an im Detail an zwei Handschriften vor – die eine aus Papier und die andere aus Pergament. Papier ist das weniger wertvolle und darum häufiger verwendete Material, was man an den Linien erkennen kann, die durch die Benutzung einer Lichtbildfolie sichtbar werden. Mit etwas Glück stößt man dabei noch auf das ein oder andere Wasserzeichen, das einem zu einer beinahe jahresakkuraten Datierung verhelfen kann. Die Studierenden machten sich gemeinsam mit der Kodikologin auf die Suche und fanden ein Bärenzeichen. Für die genaue Bestimmung des Bären kam das Butterbrotpapier ins Spiel: Indem man das durch die Lichtbildfolie sichtbar werdende Zeichen auf ein Stück Butterbrotpapier abzeichnet, kann man es mithilfe von Gerhard Piccards Wasserzeichenhandbuch abgleichen und dadurch mit Glück die Entstehung der Hand-schrift zeitlich eingrenzen.. Nach echter Detailarbeit blieb nicht mehr viel Zeit für das zweite gefundene Zeichen: die Weintraube in einer weiteren Papierhandschrift. 

Bei Pergamenthandschriften finden sich zwar keine solchen Wasserzeichen, aber dafür stießen die Studierenden in der unbekannten Pergamenthandschrift auf sehr aufwendig gestalteten Buchschmuck. Was genau es damit auf sich hatte, blieb der Zeitgründe wegen leider noch ungeklärt, aber Katrin Sturm erläuterte, dass dafür interdisziplinäre Expertise gefragt sei. Dies weckt also auch nur weiterhin das Interesse daran, durch Handschriften der Vergangenheit nachzugehen. 

Wir bedanken uns herzlich bei Frau Katrin Sturm für diese überaus lehrreiche und spannende Sitzung und werden sie gern für einen möglichen nächsten Besuch in Eichstätt willkommen heißen! 

 

Hintergrund

Sechs Handschriftenzentren gibt es in Deutschland, angesiedelt an Bibliotheken mit historischen Buchbeständen in Berlin, Frankfurt, Leipzig, München, Stuttgart und Wolfenbüttel. Sie sind eine zentrale Anlaufstelle, wenn es um die Digitalisierung und Erschließung von mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Textüberlieferung geht. Hier werden handgeschriebene Bücher der mittelalterlichen Jahrhunderte gesichtet, äußerlich und inhaltlich genau beschrieben und digitalisiert. Die interdisziplinär besetzten Teams der Handschriftenzentren bündeln die dafür erforderlichen Kompetenzen und leisten mit ihrer Arbeit und Expertise einen wesentlichen Beitrag zur Bewahrung und Erforschung mittelalterlicher Literatur, Kultur, Kunst und Geschichte. 

Das neueste gemeinsame Projekt der Handschriftenzentren ist der digitale Gesamtkatalog mittelalterlicher Handschriften aus dem deutschen Sprachraum, online abrufbar unter www.handschriftenportal.de, weitere Informationen zu Angeboten und Veranstaltungen der Handschriftenzentren unter www.handschriftenzentren.de

Text: Katharina Mayr / Franziska Kellermann