Poetik ist die Lehre von Form, Wesen und Wirkung der Dichtung, zuerst von Aristoteles als selbständige ästhetische Disziplin neben der Rhetorik in seiner als Vorlesungsgrundlage verfassten Schrift Poetik (335 v. Chr) etabliert. Während es ihm noch um die Normierung der Tragödie ging, so wurden seine Überlegungen etwa zur Beziehung zwischen Form und Inhalt wie zum Affektabbau bei der Rezeption prägend auch für die übrigen Gattungen. Ausgehend davon dominierten in der Folgezeit sogenannte Regelpoetiken, die als Formulierung normativer Dichtungsvorgaben durch Formstrenge und Moral gekennzeichnet waren. Erst Lessing lockerte das Regelwerk zu Gunsten der natürlichen Schaffenskraft der Künstler:innen und der Verstandeskraft der Rezipient:innen. Diese Bewegung wurde im Sturm und Drang dank des Genieprinzips weiterentwickelt und von den Romantikern quasireligiös auf fast alle Lebensbereiche übertragen wurde. Die moderne Poetik löst sich von der Nachahmungsästhetik ab und erkennt an, „dass die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide“ (Friedrich Schlegel). Diese vermeintliche Willkür nachvollziehbar zu machen, ist inzwischen Intention von Poetikdozenturen, bei denen Kunstschaffende, aber auch Kritiker:innen und Wissenschaftler:innen an Universitäten über die Möglichkeiten und Bedingungen ihrer Kunstproduktion referieren. 1959/60 war Ingeborg Bachmann die erste Dozentin der bis heute bestehenden Frankfurter Poetikvorlesungen, die 2023 von Clemens J. Setz bestritten wurden. Wie Poetik dabei vermittelt wird, ist nicht festgelegt, gleichwohl bewegen sich die Poetikdozent:innen regelmäßig in den Aristotelischen Kategorien von theōria (genaue Beobachtung, Reflexion), Erfahrungen der poiēsis (Schaffen, Kreieren, Dichten) und von technē (Kunst, Kunstfertigkeit).
Ein exemplarischer wissenschaftlicher Beitrag, der den Bereich der Poetik adressiert, ist der Artikel „Kanon, Selbstkanonisierung und Rekurs auf den antiken Begriff des poeta doctus“ von Friederike Reents aus dem Handbuch Poetikvorlesungen: Geschichte, Praktiken, Poetiken, hg. v. Gundela Hachmann, Julia Schöll und Johanna Bohley (Berlin, de Gruyter 2021, S. 147-166), den Sie hier finden. Beispiele von Poetikvorlesungen, wie etwa denen von Lutz Seiler, Wilhelm Genazino, Maxim Biller und Felicitas Hoppe, Frank Witzel, hg. von Friederike Reents finden Sie hier.
Auch wenn Kritik (von gr. krinein unterscheiden) in unterschiedlichen Ausprägungen seit der griechischen Antike die europäische Denkart prägte, so war sie spätestens seit dem 18. Jahrhundert unverzichtbarer Bestandteil der geistigen Kultur. Seit Kant gilt sie als Merkmal der modernen Welt, er bezeichnete seine eigene Epoche als „das eigentliche Zeitalter der Kritik, der sich alles unterwerfen muß“. Dies beanspruchte auch für den Bereich des Ästhetisch-Literarischen Geltung und veranlasste Denker und Dichter dazu, über das Wesen von (Kunst-)Kritik nachzudenken. Unterschieden wird dabei die Ausübung von Kritik, also das Schreiben von Rezensionen, von der Entwicklung einer Theorie der Kritik.
Eine exemplarische Kritik (Rezension) der Bücher von Florian Illies bzw. Mithu Sanyal, verfasst von Friederike Reents, findet sich auf der Seite „Literatur und Sachbuch“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung v. 5. November 2022, S. 10, online hier. Eine exemplarische Kurzrezension von Friederike Reents über das Buch Ruderale Texturen. Verfall und Überwucherung in (post-)sozialistischen Erzählungen von Julia Kubin, veröffentlicht in GERMANISTIK. Internationales Referatenorgan mit bibliographischen Hinweisen, Band 63, Heft 3-5, 2022. S. 721 finden Sie online hier.
Im Bereich dieses Forschungsfeldes wurden bzw. werden zur Zeit folgende Lehrveranstaltungen angeboten: Ecopoetics. Gedichte zwischen „geliehenen Landschaften“ und „plastiniertem Gelände“ (Seminar SoSe 22); Utopie & Dystopie. Weltentwürfe von Utopia (Thomas Morus) bis Corpus Delicti (Juli Zeh) (Seminar WiSe 23/24)