(De)Constructing Identities? Tiere in der Literatur

De(Constructing) Identities

Die internationale Tagung (De)Constructing identities? Tiere in der Literatur, die vom 13. bis 15. November 2025 an der KU in Kooperation mit der Universität Bamberg stattfindet, widmet sich der interdisziplinären Erforschung tierlicher Identitäten im Horizont literarischer Repräsentation. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass mit dem Begriff der Identität gemeinhin Kategorien wie Person, Individualität, Subjektivität oder Selbstbewusstsein verbunden sind; Kategorien, die in den letzten Jahrzehnten zunehmend auch auf nicht-menschliche Lebewesen angewandt werden. Die wachsende Gewissheit darüber, dass viele Spezies über komplexe kognitive, emotionale und kommunikative Fähigkeiten verfügen, lässt die lange unhinterfragt gebliebene anthropologische Differenz brüchig erscheinen und erfordert eine Neubestimmung der Grenzen des Subjektiven.

Vor diesem theoretischen und methodischen Hintergrund richtet die Tagung den Fokus auf die Weise, in der Literatur Tiere als Subjekte mit Stimme, Perspektive und Agency sichtbar macht. Die Frage nach tierlicher Identität wird dabei als doppelte Herausforderung verstanden: Einerseits verweist sie auf das produktive, aber stets prekäre Spannungsfeld zwischen anthropomorpher Zuschreibung und dem Versuch, tierliche Alterität in ihrer Eigenständigkeit ernst zu nehmen; andererseits zeigt sie, dass literarische Repräsentationen tierlicher Subjektivität unvermeidlich in den Rahmen menschlicher Fiktionalität eingebunden sind. Gerade in dieser Spannung wird Literatur zu einem Laboratorium, in dem nicht nur Identitätskonzepte von Tieren verhandelt, sondern zugleich auch grundlegende Kategorien menschlicher Selbstbeschreibung kritisch reflektiert werden. Im Zentrum der Diskussion stehen Texte, in denen Tiere als Erzähler:innen oder erzählte Subjekte auftreten, sei es in Form autozoographischer Selbstentwürfe oder als Figuren, die ihre Lebensgeschichte innerhalb eines fiktiven Kosmos artikulieren und dadurch die Fragilität und Fluidität von Identitätskonstruktionen exemplarisch verhandeln. 

Darüber hinaus wird auf die kulturelle und historische Bedingtheit literarischer Identitätskonstruktionen hingewiesen. Tierdarstellungen sind nicht nur individuelle Projektionen, sondern stets auch Träger kollektiver Imaginationen, Stereotype und Diskurse. Die wiederkehrende Figur des „bösen Wolfs“ etwa zeigt exemplarisch, wie kollektive Zuschreibungen tierlicher Eigenschaften nicht nur kulturelle Wahrnehmungsmuster prägen, sondern auch literarische Formen und Gattungspoetiken strukturieren. Literarische Tiere erscheinen so zugleich als ästhetische Figuren, als Projektionsflächen kultureller Semantiken und als Akteur:innen in der Konstitution kollektiver Identität.

Indem die Tagung diese unterschiedlichen Dimensionen zusammenführt, verfolgt sie das Ziel, literarische Tierdarstellungen in ihrer Funktion als Schauplätze kultureller Selbstreflexion, anthropologischer Differenzmarkierungen und alternativer Identitätsentwürfe zu untersuchen. Durch die Verbindung von literaturwissenschaftlicher Analyse mit Perspektiven aus Philosophie, Theologie, Kulturtheorie, Soziologie, Kunst, Ethologie, Zoologie und Neurophysiologie wird eine interdisziplinäre Diskussion eröffnet, die dazu beitragen soll, das Verhältnis von Mensch und Tier in seinen literarischen, kulturellen und epistemischen Dimensionen neu zu denken.

 

Das Programm zu der interdisziplinären Tagung (De)Constructing Identities? Tiere in der Literatur finden Sie hier

Senatssaal (Raum SR-108)
Ostenstraße 26
85072 Eichstätt