Friederike Reents
Christina Rossi
Simone Ketterl
Verena Lauerer
SE: Lyrik der Neuen Sachlichkeit, Mi 18.30 - 20.00 Uhr
„Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, die Sie jetzt studieren wollen, Kommilitonen und Kommilitoninnen, die Sie sich anschicken, die geisteswissenschaftlichen Fächer zu beforschen, […] meine Damen und Herren und alle Jugend, die antritt, in Seminaren und Instituten, die Binde von Sais zu lüften, ich will Mißtrauen säen in Ihre Herzen gegen Ihrer Lehrer Wort und Werk, Verachtung gegen das Geschwätz vollbärtiger Fünfziger, deren Wort der Staat lohnt und schützt, und Ekel vor einem Handwerk, das nie an eine Schöpfung glaubte.“
Dass dieses fiktionale hochschuldidaktische Konzept eines jungen Hochschullehrers (für meine Zwecke leicht abgewandelt, nach Gottfried Benn, 1919) von vor 100 Jahren heute noch Geltung beansprucht und meiner Auffassung einer gelungenen Verbindung von Forschung und Lehre, in Auseinandersetzung mit geistigen Strömungen und Problemen unserer von Sinnverlust und Orientierungssuche geprägten Zeit in weiten Teilen entspricht, möchte ich kurz anhand von zwei Punkten darlegen.
Zu den Studierenden
Vor heutiger, modularisierter und zunehmend verschulter Studienkulisse scheint mir die Ansprache der Studierenden, die „sich anschicken“, ihre Fächer „zu beforschen“ (Kursivierung F.R.), ebenso hervorhebenswert wie die (wenn auch sicherlich sehr hoch gehängte) Annahme, die Jugend trete an, „die Binde von Sais zu lüften“. Das, was vor gut 100 Jahren offenbar noch zum Selbstverständnis der Studierenden zählte, nämlich der Wille, nicht nur sich selbständig Themen zu erarbeiten, sondern auch mit einem hohen Maß an Erkenntnisdrang die Grundlagen ihres Faches zu durchdringen und zu hinterfragen, sollte meines Erachtens den Studierenden von heute mit auf den Weg gegeben werden. Jeder sollte sich dabei der Herausforderung bewusst sein, die sich vom ersten Tag des Studiums an im besten Kantschen Sinne bietet, nämlich: zu wagen, sich seines Verstandes zu bedienen.
Dass dies erst gelingen kann, wenn man auch fachlich „ergriffen“ ist, also von Haus aus eine Begeisterung für das gewählte Studiengebiet mitbringt, versteht sich, anders als im obigen Zitat, heute gerade nicht von selbst. Die Wahl des Studienfachs hängt allzu oft mit externen Faktoren wie der Aussicht auf ökonomischen oder auch symbolischen Kapitalgewinn (gute Verdienstmöglichkeiten, akademischer Titel o.ä.) zusammen. Und dass die Zahl derer, die „in ihren Freistunden ergriffen lesen“, eher gering ausfällt, liegt nicht nur an den verordneten Studienplänen, sondern an der um sich greifenden Gewohnheit, nur Prüfungsrelevantes zu lesen (wenn überhaupt).
Nur wer mit einen hohen Maß an Begeisterung, Forschungs- und Erkenntnisinteresse sein Studium aufnimmt, wird auch in der Lage zu sein, das, was ihm ,geboten‘ wird, mit entsprechendem „Misstrauen“ hinterfragen zu können – es muss ja nicht gleich „Verachtung“ oder gar „Ekel“ gegenüber dem Hochschullehrer sein, wie dies in obigem Zitat entsprechend polemisch zugespitzt heißt.
Mein Selbstverständnis als Dozentin
Der Aufruf an die Studierenden, sich ihres Verstandes zu bedienen und dabei misstrauisch zu sein „gegen Ihrer Lehrer Wort und Werk“, gilt in gleicher Weise auch für das Selbstverständnis des Hochschullehrers, dessen Wort immerhin „der Staat lohnt und schützt“. Diese Sicherheit und Freiheit sind die Basis des universitären Auftrags zu (selbst)kritischer, verantwortungsvoller und begeisternder Lehre (und Forschung).
Als Hochschullehrerin sehe ich dementsprechend neben der Wissensvermittlung meine Aufgabe vor allem darin, im Humboldtschen Sinne Kritik- und Urteilsfähigkeit der Studierenden zu fördern, dies idealerweise im Seminargespräch, das m.E. nach wie vor am besten geeignet ist, dem intellektuellen Anspruch an ein geisteswissenschaftliches Studium gerecht zu werden. Es geht nach Humboldt um „die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen“ (W. v. Humboldt, 1809). Ich möchte den Studierenden die Einmaligkeit des intellektuellen Abenteuers, auf das sie sich eingelassen haben, vor Augen führen und ihnen dabei zugleich zur Seite stehen, dieses erfolgreich zu bewältigen.
Friederike Reents
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