Einem Bundeswehrsoldaten beim Abendessen mal auf den Zahn fühlen und nachzufragen wie es ist, in den Auslandseinsatz nach Afghanistan geschickt zu werden und dabei gegebenenfalls Waffengewalt anwenden zu müssen. Mediatoren und UN-Beraterinnen kennen lernen und mit ihnen über Alternativen zu militärgestützten Friedensmissionen zu debattieren. Oder aber mit katholischen Militärseelsorgern über Posttraumatische Belastungsstörung und den Glauben im Krieg zu sprechen. All das und noch viele weitere spannende Programmpunkte standen für die universitäre Trinität aus den Fachbereichen Religionspädagogik, Lateinamerikastudien und Politikwissenschaft auf dem Programm.
Auf der von Professor Dr. Uto Meier und Dr. Philip Jan Schäfer geplanten und in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Informationsarbeit der Bundeswehr in Strausberg durchgeführten Exkursion unter dem Titel „Deutsche Sicherheitspolitik – Kultur, Kommunikation“ bekamen die Studierenden einen umfassenden Einblick in den Bereich der Sicherheitspolitik in all ihren Facetten. Während der fünf Tage in Berlin war das Programm mit Terminen in Bundesministerien, anderen politischen Institutionen sowie dem ARD-Hauptstadtstudio oder aber einer Stadtführung mit Lobbycontrol gut gefüllt. Nach einer langen Anreise in den Bussen des Sozialwerks und dem schnellen Bezug der Zimmer im Informationszentrum wurde die Gruppe der Katholischen Universität freundlich begrüßt. Aber der erste Input in Form eines Vortrags über die Innere Führung der Bundeswehr ließ nicht lange auf sich warten. Hier wurde über das Selbstbild und die Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten in der deutschen Armee gesprochen und über die Vorbereitung auf Auslandseinsätze debattiert. Am Abend wurden diese und weitere Gespräche mit den Organisatorinnen und Organisatoren des Seminars sowie mit einigen Bundeswehroffizieren, die harte und breite Einsatzerfahrungen hinter sich hatten, über einem reichhaltigen Buffet intensiv fortgesetzt, ein Gespräch, das an der Theke noch bis Mitternacht dauerte.
Am nächsten Morgen startete das Programm dann mit einer für Studenten eher ungewöhnlichen Frühstückszeit: 7 Uhr. Doch die Aussicht auf einen Besuch im Auswärtigen Amt mit einem spannenden Vortrag und angesagter Diskussion aus dem Kulturreferat stimmte uns versöhnlich. Man konnte auf der Busfahrt ohnehin noch ein kurzes Powernap machen. Im Auswärtigen Amt angekommen erwartete uns erst einmal eine Sicherheitskontrolle, bevor wir mit einem leitenden Beamten des AA über die Kulturpolitik der Bundesrepublik sowie über eine mögliche europäische Kulturpolitik diskutieren konnten. Wie eigenständig darf Kunstförderung im Ausland sein? Auch als Stachel im Fleisch der üblichen Denkmuster? Oder immer schön Mainstream? Der leitende Spitzenbeamte plädierte für einen maximalen Pluralismus in Kunst und Kultur, allerdings auf dem Boden des Grundgesetzes und seiner Kernwerte. Ein guter Aufschlag für uns vielfältige KU-Studierenden mit unseren vielen Wurzeln aus allen gesellschaftlichen Schichten und auch internationalen Kulturen. Im Anschluss daran folgte eine Fahrt ins Bundesministerium der Verteidigung, wo uns ein federführender Oberstleutnant i.G. des Pressestabes mit einem zackigen, aber spannenden Vortrag über die Informationsarbeit der Bundeswehr erwartete. Es ergaben sich dichte Gespräche über das Aufnahmealter für die Bundeswehr, die Budgetprobleme sowie das Selbstverständnis der Soldat*innen in einer (in den Augen der Gesellschaft) “kaputt gesparten” Bundeswehr. Darauf folgte dann ein Termin mit einem Generalarzt, der uns in seiner Rolle als Beauftragter des BMVg für posttraumatische Belastungsstörung Einblick in den besonders herausfordernden Dienst als Soldat und Soldatin gab. Extrem interessant war es, die genauen Zahlen der Fälle in Zusammenhang mit den Einsätzen zu betrachten, da die Zahl der gemeldeten PTBS-Fälle trotz sinkender Beteiligung deutscher Soldat*innen an Kriegshandlungen konstant bleibt. Diese Gedanken hallten am Ende des Tages in unseren Köpfen irritierend wider, als wir eine kleine Führung am Ehrenmal der Bundeswehr erhielten und dort den im Einsatz Verstorbenen gedacht wurde. Betroffene Gesichter zeigten, dass dieser Dienst für das Land, für die Demokratie, die Freiheit oder die Menschenrechte anderer im Letzten einen hohen Preis fordern kann.
Der nächste Tag zeigte uns mit unserem ersten Besuch im Zentrum für internationale Friedenseinsätze (ZiF) weitere und vor allem präventive Wege der internationalen Friedensarbeit und Friedenspolitik auf. Im Gespräch mit Frau Direktorin Dr. Astrid Irrgang und Herrn Dr. Andreas Wittkowsky erfuhren wir mehr über zivile Kräfte in Friedenseinsätzen, wie sie zum Beispiel bei Wahlbeobachtungen oder bei Schlichtungsgesprächen zum Einsatz kommen und dem sogenannten “Comprehensive approach” dienten, einem Konzept der Bundesregierung, die in ihrer Außenpolitik mit einem vernetzen Ansatz Konflikte eindämmen, lösen und zukunftsfähige Kompromisse aufbauen will. Außerdem unterhielten wir uns intensiv über die Rolle von Mediation innerhalb der Friedensarbeit und über die Voraussetzungen, die ihr zugrunde liegen. Spannend natürlich für uns der Hinweis, dass wir als Praktikanten beim ZIF willkommen seien, ob als Politikwissenschaftler*innen oder Studierende Lateinamerikanischer Sprachen und Kulturen oder als Religionspädagog*innen, wenn wir z.B. mit kleinen Einsätzen in Wahlbeobachtung beginnen wollten am Frieden mitzuarbeiten. Nach dem Mittagessen fuhren wir weiter zur Katholischen Militärseelsorge. In einer intensiven Diskussion mit der Chefredakteurin des „Kompass“, dem Magazin des KMBA, und dem Hauptabteilungsleiter für Grundsatzfragen und ethische Bildung in der Seelsorge, Prof. Th. Elßner. In den eineinhalb Stunden wurden Themen wie der Tod, Familienleben während und nach Kriegseinsätzen und die Rolle des Glaubens in Krisensituationen thematisiert und den Studierenden auch die Realität entgegengehalten, dass es keine “einfachen Lösungen” - bei aller Humanitätsorientierung - in politischen Konflikten geben kann. Aber vielleicht gerade deswegen Soldaten und Soldatinnen auch einen ganz anderen Zuspruch brauchen, als “nur” politische Legitimation, einem Zuspruch, der spirituell fundiert sein muss. Am späten Nachmittag fanden wir uns im Bundespresseamt ein, in welchem wir eine kurze Einführung in die Arbeit von einem journalistisch ausgebildeten Oberstleutnant i.G. bekamen. Der Leiter des Sicherheitspolitischen Referats erläuterte uns den Ablauf seines Arbeitstags, in welchem er Regierungssprecher und Staatssekretär Steffen Seibert in allen Fragen zum Thema Sicherheitspolitik unterstützend zur Seite steht und vorbereitet. Auch hier der Hinweis, dass ein Praktikum im Bundespresseamt durchaus im Bereich des Möglichen ist. Der Abend klang bei Pizza und Pasta in einem Berliner Lokal heiter und ungezwungen aus, auch wenn die schweren Fragen und Herausforderungen unsere Gespräche weiter mitbestimmten.
Am Donnerstagmorgen waren wir im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz BMZ eingeladen. In einer kurzen Powerpoint-Präsentation wurden uns die Aufgabenfelder des Ministeriums und dessen Arbeitsweise von einer Spitzenbeamtin erklärt. Durch unsere Lateinamerika-Studenten fiel das Zentrum des Interesses schnell auf die wirtschaftlichen Kooperationen in Venezuela und Argentinien, und in der folgenden Diskussion wurde klar, dass das BMZ nicht nur Entwicklung fördert, sondern auch vielseitig Initiativen für Friedensprozesse unterstützt, finanziert und initiiert, etwa im ZFD, dem Zentralen Friedensdienst, einer nachgeordneten Organisation des BMZ. Die 17 Ziele globaler Entwicklung erläuterte uns die Referatsleiterin mit packenden Beispielen aus konkreten Umsetzungsprojekten in der ganzen Welt. Für den Nachmittag hatten sich die Exkursionsverantwortlichen ein besonderes Schmankerl einfallen lassen. Die Führung im ARD-Hauptstadtstudio beinhaltete einen Besuch im hauseigenen Tonstudio und dem Fernsehstudio (welches kleiner war als erwartet, aber mit einem großartigen Panoramablick aufwarten konnte). Die spannende Diskussion mit Ariane Reimers, der ehemaligen China-Korrespondentin, thematisierte neben Fake-News, China und der Tagespolitik auch die Tagesaufgaben im Hauptstadtstudio und den Ablauf eines News-Berichts und viele weitere Fragen, die ein Qualitätsjournalismus heute leisten muss im Zeitalter, in dem “alternative Wahrheiten” die schmutzige Seite von blanker Macht- und Interessenspolitik gerne “legitimieren” wollen. Der nächste und letzte Tagesordnungspunkt befand sich wortwörtlich gleich um die Ecke; die Führung zum Thema “Lobbyarbeit in Berlin” von einem studentischen Mitglied des Vereins Lobbycontrol startete am Bundespresseamt und führte uns einmal quer durch Berlin Mitte. Hier erfuhren wir von den dunkleren Teilen der Politik, beispielsweise dem eigens durch den Verband der Brauereien ins Leben gerufenen Preis für den „Botschafter des Bieres“, dem Einfluss von Anwaltskanzleien auf den alltäglichen Gesetzgebungsprozess sowie künstlich initiierte Proteste, wie zum Beispiel von der „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“, die ihr “sozial” sehr einseitig interpretiert, wie der engagierte Student der Politikwissenschaft von Lobby-Control (an-)deutete.
Am Freitag, dem Tag der Abreise, fuhren wir ein letztes Mal nach Berlin, um das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen zu besichtigen. Unser Museumsführer, Mischa Naue, erwies sich hier als “Glücksgriff”, wenn dieser Begriff hier denn angemessen ist: als ehemals Gefangener schilderte er die brutalen Verbrechen, die an ihm während seiner Inhaftierung verübt wurden. Mischa konnte zu jedem Raum, den wir durchschritten, etwas aus seiner düsteren Vergangenheit an diesem Ort erzählen. Einige konnten ihre Tränen nicht unterdrücken, wenn ruhig erzählt wurde, was Menschen Menschen antun können, wenn sie vergessen oder verdrängen, dass “der Klassenfeind” einfach nur ein 19-jähriger junger Mensch ist, der in Freiheit und Selbstbestimmtheit leben und reisen und die Welt erfahren will. Zwei Jahre Gefängnis, zwei Jahre Prügel und viele Tage Einzelhaft. Uns wurde sehr klar, dass Freiheit und Rechtsstaat ein kostbares Gut ist, das nicht selbstverständlich gegeben ist. Das Ende der Führung stellte ein Highlight dar; im Kontrast zu seinen schlimmen Erinnerungen erzählte er uns von seinen beeindruckenden Erfahrungen nach seiner Freilassung und wie ihm der Glaube an Buddha geholfen hat. Beeindruckend für uns war, als Mischa erzählte, dass er „seinem“ Gefängnisdirektor Jahre später begegnet ist. Und dass er erkannte, er wollte nicht so sein, wie dieser „verkümmerte Apparatschik“, der über seine Angepasstheit an ein System alle Grenzen überschritt, die einem menschlichen Leben gesetzt sind. Insgesamt stellte die Exkursion eine dichte, dennoch auch heitere wie vor allem auch lehrreiche und Überzeugung bildende Veranstaltung dar, die uns Studenten und Studentinnen noch lange im Gedächtnis bleiben wird.
Last but not least haben wir uns auch über die Fakultätsgrenzen kennen und schätzen gelernt, als Menschen und als engagierte und neugierige Diskursteilnehmer zum großen Thema “What we are fighting for? Peace and security in postmodern times”. Vielen Dank dafür auch an Prof. Uto Meier und Dr. Philip Schäfer!