Ökumene lernen in Rom -

katholische und evangelische ReligionspädagogInnen erschließen sich ihre Wurzeln


Im 500. Reformationsjahr gemeinsam in Rom voneinander lernen, das war die Grundidee eines interkonfessionellen Seminares der beiden religionspädagogischen Fakultäten der KU Eichstätt und der Evangelischen Hochschule Nürnberg, die in einer interdisziplinären Studienwoche in Rom vom 23. September bis 30. September 2017 verwirklicht wurde.
Unter der Leitung von Prof. Dr. Uto Meier (KUEI) und Prof. Dr. Jörg Lanckau (EvHschN) wurden die gemeinsamen Wurzeln wie auch die unterschiedlich gewachsenen Traditionen der beiden Kirchen so respektvoll wie interessiert aufgenommen, intensiv diskutiert wie auch - oft überraschend -  wertschätzend als auch eigene Erfahrung entdeckt.
Evangelische angehende Religionspädagoginnen öffneten sich am ersten Tag mutig katholischen Liturgie-Formen und erlebten bereits Papst Franziskus beim Angelusgebet auf dem Petersplatz, der mit dem großen Wort "La salvezza non è meritata ma donata!" ("Erlösung ist nicht erarbeitet, sondern geschenkt!") alte Gräben übersprang und damit eine theologische Willkommenskultur für die jungen ProtestantInnen schon am ersten Tag vorstellte.
In vielen Begegnungen in Rom konnten die Studierenden der beiden Kirchen einen konstruktiven Spiegel durch die andere Konfessionsgeschichte erleben: So im Besuch der Kath. Bewegung St. Egidio, die sich der Friedensarbeit und den Armen in Rom widmet, auf dass diese Würde und Brot und Anerkennung erleben dürfen. Der Generalsekretär von St. Egidio, Dr. Cesare Zucconi, führte in diese Laienbewegung ein, und zeigte im eigenen inklusiven Restaurant der Gemeinschaft, was es heißt, wenn Menschen mit Behinderung wieder in einer Gesellschaft er- und anerkannt werden. Dass Gnade auch gute Werke (in Folge) sucht, wurde hier erfahrbar.
Ähnlich sensibilisierte der Dekan der Fakultät der protestantischen Waldenser Kirche in Rom, Prof. Ferrario, wie entschieden die - lange von der Kirche verfolgten - Waldenser aus der Ursprungsidee des Evangeliums lebten, oft Opfer machtpolitischer Spiele.
Auf Einladung der deutschen Botschafterin am Hl. Stuhl, Annette Schavan, konnten die Studierenden in der Botschaftsresidenz selbst erfahren, wie die Deutsche Diplomatie mit dem Hl. Stuhl in Beziehung steht und welche unmittelbaren Fragestellungen die Kath. Kirche in politische Diskurse einbringt.
Natürlich stand die Geschichte des Glaubens und seiner Ausdrucksformen wie seiner pastoralen Konkretionen im Mittelpunkt des Seminares, das vor Ort und vor ganz konkreten Denkmälern die Transformationen der römischen Religion und der staatsverändernden Überzeugungen der Christen aufzeigen konnte, so im Forum Romanum, im Collosseum, in San Clemente und seinem Mithraskultheiligtum und in den Katakomben und in den Vatikanischen Museen:
Wie lebten die Christen als Minderheit im römischen Reich? Wie verändert sich die Kirche nach der Konstantinischen Wende? Welche theologischen Deutungen zeigen die Arbeiten der großen Künstler der Renaissance (Michelangelo in der Capella Sistina, Raffael in den Stanzen) und des Barock (Caravaggio) zu den großen sprituellen Fragen der Menschheit und ihren Manifestationen in den biblischen Offenbarungstexten und Überlieferungen?
Mit diesen interdisziplinären Zugängen eröffneten sich neue Sichtweisen: Etwa wenn deutlich wird, wie Caravaggio die Armen heiligt, indem er mit Modellen aus der römischen Unterschicht des 17. Jahrhunderts die Hl. Familie oder die großen Apostel portraitiert.
Selbstredend durften Luthers Erfahrungen während seiner Romfahrt nicht fehlen: Mit spannenden Impulsen und Zeugnissen aus 1511 wie mit herausfordernden theologischen Thesen am Nordtor Roms wie am Apostelgrab des Hl. Paulus konnten die Studierenden die Denkbewegungen des frühen Luthers nachvollziehen und in Beziehung zu heutigen Positionen setzen, die zeigten, wie "evangelisch" die römisch-Katholische Kirche geworden ist und wie "katholisch" die protestantischen Christen - inzwischen, nach dem II. Vatikanischen Konzil - sich verstehen.
Mit einer Podiumsdiskussion im Gästehaus des Erzbischofs von München-Freising, wo eine Klosterschwester, ein katholischer Unternehmer und drei Theologieprofessoren sich über die Chancen und Quellen heutigen Glaubens austauschten und sich den Fragen der Studierenden öffneten, endete dieses ungewöhnliche Seminar.
Neben der Auseinandersetzung mit Zeugnissen der Glaubensgeschichte, neben den Gesprächen mit Menschen, die heute in Rom - Katholiken wie Protestanten - ihren Glauben engagiert leben, neben Einblicken in die Kirche(n) und ihren institutionalisierten Strukturen, am dichtesten liefen die Dialoge, in denen die Studierenden - oft nach einem Impuls über Kunst und Geschichte und theologischer These - sich selbst einander vorstellten, ihre eigenen Blickwinkel einbrachten  und aus ihrer jeweiligen Lebens- und Glaubensgeschichte sich mutig der anderen Biographie und ihren Traditionen stellten.
Der Bayerische Rundfunk begleitete diese Reise. Der Beitrag findet sich in der Mediathek des BR unter
https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/campus/auf-den-spuren-des-glaubens-100.html


Text: Prof. Dr. Uto Meier