Herr Professor Pechlaner, warum muss Nachhaltigkeit neu gedacht werden – und warum kommt die Frage danach gerade jetzt auf?
Prof. Dr. Harald Pechlaner: Klassische Nachhaltigkeitskonzepte thematisieren die aktuellen Krisen nicht mehr ausreichend, der Klimawandel und soziale Spannungen nehmen weltweit zu. Daher rührt auch die Frage nach neuen Nachhaltigkeitskonzepten. Und um diese beantworten zu können, muss Nachhaltigkeit heute als eine umfassende gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation verstanden werden, samt einem hohen Maß an Verbindlichkeit.
Wie wirken sich Dynamiken in Politik, Wirtschaft Gesellschaft oder auch Ökologie auf das Konzept der Nachhaltigkeit aus?
Prof. Pechlaner: Die Gesellschaft ruft nach mehr Mitbestimmung im Bereich der Nachhaltigkeit. Sie wünscht sich eine echte Veränderung. Durch das gesellschaftliche Interesse an einer nachhaltigen Transformation rückt diese weiter in den Fokus. Auch die Politik und die Wirtschaft reagieren zunehmend auf Nachhaltigkeitsfragen. Allerdings oft zu vorsichtig und zu sektoral.
Inwiefern?
Prof. Pechlaner: Wenn Wirtschaft als integraler Teil von Gesellschaft und Ökologie gesehen werden soll, verändern sich nicht nur die Perspektiven, sondern vor allem konkrete Handlungsformen rund um die Neugewichtung des Verhältnisses von Wirtschaft, Ökologie und Gesellschaft.
Woher kommt diese Eindimensionalität, gerade im wirtschaftlichen Bereich?
Prof. Pechlaner: Wirtschaftslogiken basieren oftmals auf kurzfristigem Wachstum und Gewinnmaximierung. Unternehmen, die viele Jahre erfolgreich wirtschaften, sehen vielfach keinen Grund, ihre Wirtschaftslogik in Frage zu stellen. Verantwortliche berauschen sich sogar häufig an rein quantitativen Wachstumslogiken, obwohl nachhaltige Transformationen langfristige Perspektiven und Systemveränderungen fokussieren. Und diese sind notwendig, weil Umwelt und Gesellschaft an Belastungsgrenzen stoßen.
Man könnte also sagen, Ökonomie strebt Wachstum an, Ökologie setzt Grenzen.
Prof. Pechlaner: Allerdings. Eine zukunftsfähige Gesellschaft muss beide Bereiche verbindlicher aufeinander abstimmen. Ökonomie im Klimawandel erfordert andere Strategien.
Wie kann dieses Umdenken aussehen?
Prof. Pechlaner: Wir brauchen systemisches Denken und globale Dynamiken, die zu mehr Kooperation führen. Eine echte Integration von Umwelt- und Wirtschaftsinteressen könnte viele Konflikte vermeiden.
Was kann der Anstoß für eine solche Transformation sein?
Prof. Pechlaner: Der Schlüssel liegt häufig bei den Betroffenen, der Druck kommt vor allem von ihnen. Unternehmen und Politik hören in besonderem Maß auf Kunden und Wähler. Aber ohne politischen Rahmen wird es nicht gehen.
Eine Anmeldung zum STS-Talk „Zum Verhältnis von Ökonomie und Ökologie: Muss Nachhaltigkeit neu gedacht werden?“ ist möglich per Mail an natalie.hofstetter(at)ku.de.