Jugend - Religion - Relevanz. Konfessioneller Religionsunterricht und Jugendpastoral in bekenntnisdiffusen Lebenswelten

Bild Tagung
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Aus mehreren Gründen stehen religiöse Bildung in der Schule und die Jugendpastoral in der Gemeinde vor einem Umbruch. Die Veränderungen sind im Norden Deutschlands spürbarer als im Süden, wobei die Verhältnisse sich zunehmend ähneln: Auch in Bayern geht die Zahl der Taufen deutlich zurück, viele Gemeinden haben Schwierigkeiten jugendpastoral zu arbeiten und die konfessionelle Gestalt des Religionsunterrichts wird zunehmend angefragt. Welche möglichen Konsequenzen ergeben sich aus diesen Veränderungen für die Pastoral in der Gemeinde und den Religionsunterricht in der Schule? Wie können Kirche und Ortsgemeinde jenseits pessimistischer Kassandrarufe auf substanzielle Veränderungen produktiv reagieren? Was bedeutet gegenwärtig Bildung im Schulfach Religion?

Diese Fragen wurden auf einem Studiennachmittag in Eichstätt bearbeitet, den Prof. Dr. Ulrich Kropač, Prof. Dr. Uto Meier und Klaus König von der Universität Eichstätt in Zusammenarbeit mit dem DV Eichstätt des DKV durchgeführt haben. Zwei Referate von dem Bochumer Pastoraltheologen Prof. Dr. Matthias Sellmann und dem Regensburger Religionspädagogen Prof. Dr. Burkard Porzelt eröffneten den Nachmittag. Fortgeführt wurde er mit einer Podiumsdiskussion, an der neben den beiden Referenten Frau Dr. Sandra Krump, Ordinariatsdirektorin aus München und Johanna Schrödel vom BdkJ Eichstätt teilnahmen. Frau Schrödel vertrat dankenswerter Weise die plötzlich erkrankte Bundesvorsitzende des BdkJ, Frau Lisi Maier aus Berlin.

Prof. Sellmann
© KU Prof. Sellmann präsentiert die Idee des MC Mental

Vor einem Auditorium, das mit ca. 120 Personen gut besetzt war, charakterisierte Prof. Sellmann im pastoraltheologischen Vortrag zunächst die Jugendlichen der Gegenwart als kreative Taktiker, die im Geflecht der Lebenswelten eigenständig ihr Leben zwischen Individuation und Integration gestalten und dabei nach begleitenden Sicherheiten suchen. In die Konstruktion des eigenen Lebens muss Religiosität passen. Nur wenn sie sich darin bewährt, kann sie Geltung beanspruchen. Was Religiosität inhaltlich und handlungsbezogen charakterisiert, wird von jungen Menschen selbst ausgewählt und bestimmt. Dominante Quellen bilden kulturell-mediale Angebote, wobei religiöse Aspekte eher beiläufig, im Zuge einer allgemeinen Beschäftigung mit kulturellen Zeugnissen, angeeignet werden. Als eine patoraltheologische Orientierung ergibt sich daraus die Forderung nach attraktiven und passgenauen jugendpastoralen Angeboten, deren Aneignung selbstgesteuerte Identitäts- und Biografiegewinne abwerfen müssen. Nach diesem analytischen Teil des Vortrags stellte Prof. Sellmann mögliche Projekte vor, die Kirche als Ort einer geistlichen Lebenskompetenz beschreiben. Eines dieser Projekte nennt er „McMental“ - die Bezeichnung lehnt sich bewusst an die bekannten Ketten McDonalds und McFit und deren Kommunikationskonzepte an. Es bildet ein geistliches Zentrum in der City, das kirchlich getragen ist und in verschiedenen Räumen unterschiedlich gestaltete geistliche Impulse bereithält, die subjektiver Lebensbewältigung dienen sollen.

Prof. Porzelt
© KU Prof. Porzelt über den RU als Bildungsfach

Ebenfalls in die Zukunft schaute Prof. Porzelt, indem er vorschlug, den konfessionellen Religionsunterricht durch ein religionskundliches Fach für alle Schülerinnen und Schüler zu ersetzen. Seine Begründung setzt bei den prinzipiellen Bildungsaufgaben der Schule an: Ihr Anspruch ist demokratisch, weil sie allen Lernenden möglichst unabhängig von bestimmten Voraussetzungen in Familie und anderen Sozialisationseinrichtungen Zugang zur Kultur ermöglichen muss. Da Religion in verschiedenen Ausprägungen ein Element unserer Kultur ist, bedarf es eines Fachs, das alle Schülerinnen und Schüler zur Auseinandersetzung mit Religion auffordert. Dies gilt, gerade weil eine reflexive Bearbeitung religiöser Fragen und Erscheinungsformen für immer weniger Kinder und Jugendliche außerhalb der Schule stattfindet. Deshalb ist es s. E. falsch, den Religionsunterricht an bestimmte Voraussetzungen zu binden, wie es das bisherige konfessionelle Prinzip tut. Eine solche Religionskunde meint aber mehr, als eine bloße Ansammlung von Informationen über Religion. Denn auch in ihm erkunden und bedenken die Lernenden Religion als eine Grundform des Lebens, Denkens und Erfahrens und setzen sich selbst in eine Beziehung dazu.

Schon diese knappe Skizze der Vorträge verdeutlicht, dass sie eine gute, z.T. auch provokante Basis für die sich anschließende Podiumsdiskussion, an der sich das Auditorium rege beteiligte, bildeten. Zu Beginn der Diskussion trugen Johanna Schrödel und Dr. Sandra Krump kurze Statements zu den Vorträgen aus ihrer Sicht vor: Frau Schrödel plädierte für niederschwellige Angebote, die kirchliche Verbände an Jugendliche bereit stellen müssen. Frau Dr. Krump votierte u. a. für einen Religionsunterricht, der eigenständig ist und ggf. auch widerständige Inhalte bearbeitet.

Ein herzliches Dankeschön gilt Heidi Klehr und Martina Dremel, die in Zusammenarbeit mit den Veranstaltern den Studientag in hervorragender und souveräner Weise, unterstützt durch die studentische Hilfskraft Stephanie Schmidt, sowie den „Technikern“ Franz Hegenberger und Dominik Wittmann, vorbereitet haben.

Akad. Dir. Klaus König in: Unterwegs 1/2016. S. 15-17.

Dokumente

Impressionen

Vorbereitungen
© KU Vorbereitungen
Klaus König
© KU Klaus König
Plenum
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Prof. Porzelt
© KU Vortrag Prof. Porzelt
Podium
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Dr. Krump
© KU Dr. Krump in der Diskussion
Prof. Kropac und Johanna Schrödel
© KU Prof. Kropač und Johanna Schrödel (BDKJ)
Gruppenbild
© KU Gruppenfoto