Editorial: In den Jahren von 2012 bis 2015 dürfte die Erinnerung an das Zweite Vatikanische Konzil in der Theologie und im kirchlichen Leben wohl eine besondere Rolle spielen. Das säkulare Ereignis der katholischen Kirche im 20. Jahrhundert liegt nun 50 Jahre zurück. Nach und nach werden die großen Dokumente der Kirchenversammlung in den Blick rücken. Jeweils ein halbes Jahrhundert alt verbinden sich mit ihnen die Fragen nach der Rezeption der theologischen und praktischen Aussagen im Leben der Kirche und nach der Wirkungsgeschichte, die in den letzten 50 Jahren von den Konstitutionen, Dekreten und Erklärungen des Konzils ausgegangen ist.
Es ist wohl keineswegs überzeichnet, wenn man unter die vielfältigen konziliaren Neuorientierungen und Anstößen für die Erneuerung des Glaubens und der Sendung der Kirche die Aufwertung des geoffenbarten Wortes Gottes in den Schriften des Alten und Neuen Testamentes als ein besonders bedeutsamen Impuls heraushebt. Die stete Rückbindung an die biblischen Bücher nahm bei der Erarbeitung der verabschiedeten Dokumente des Konzils eine zentrale Stellung ein. Die wegweisenden Worte der Konzilsväter zum Verständnis der Kirche, zum Leben aus der Liturgie, zur Ökumene, zur Religionsfreiheit und zum pastoralen Dienst in der Welt von heute sind zutiefst aus dem „Grundwasser“ der biblischen Schriften gespeist. Schließlich ist in der dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei Verbum“ das Wort Gottes in der Heiligen Schrift selbst Gegenstand konziliarer Reflexion und lehramtlicher Aussage geworden. Dass das Zeugnis der Bibel die „höchste Richtschnur ihres Glaubens“ (DV 21) ist, dokumentierte die Kirche nicht zuletzt in der XII. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode, die im Herbst 2008 in Rom stattfand und sich dem „Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche“ stellte.
Hier wurde einmal mehr deutlich, dass die Heilige Schrift den unaufgebbaren Maßstab für den Glauben der einzelnen Getauften wie der Kirche als ganzer bildet. Dies zeigt sich in besonders dichter Weise in der Feier der Liturgie. Denn hier findet der Glaube der Kirche seinen lebhaftesten und intensivsten Ausdruck. Die beiden Beiträge, die im Mittelpunkt dieses Heftes stehen, wenden sich diesem Themenkomplex zu und stellen aus unterschiedlichen Blickrichtungen Überlegungen zum Verhältnis von Bibel und Liturgie an.
Prof. Dr. Martin Klöckener (Fribourg) befasst sich mit dem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Verbum Domini Papst Benedikts XVI., das sich auf die genannte Bischofssynode bezieht und deren Beratungen und theologischen wie pastoralen Hinweise bündelt. Dieses im Herbst 2010 veröffentlichte Dokument greift Klöckener auf, indem er an ausgewählten historischen Akzenten und liturgietheologischen Überlegungen die Bedeutung der Heiligen Schrift in der Feier des Gottesdienstes beleuchtet. Neben Fragen der Kanonbildung, der Sakramentalität des Wortes Gottes und der Beziehung zwischen Schrift und Sakrament kommt er auch auf pastoralliturgische Aspekte wie die Weiterentwicklung der Leseordnung und die Wortverkündigung in den verschiedenen Formen des Gottesdienstes zu sprechen.
Ergänzend hinzu tritt der Beitrag von Prof. Dr. Harald Buchinger (Regensburg). Es handelt sich dabei im Wesentlichen um die Antrittsvorlesung des Autors an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Regensburg. Er richtet den Blick vor allem auf die Gesänge der römischen Liturgie, deren wesentliches Charakteristikum es ist, fast ausschließlich auf biblische Texte zurückzugreifen, vor allem auf den Psalter. in den exemplarischen Untersuchungen von Antiphonen und Psalmen der römischen Mess- und Tagzeitenliturgie vermag Buchinger die spezielle Hermeneutik und spirituelle Dimension des Schriftgebrauchs in der Liturgie sichtbar zu machen.
Abgerundet wird das Heft durch zwei Berichte. Nina Frenzel informiert über ein interdisziplinäres Kolloquium des Seminars für Liturgiewissenschaft an der Katholisch-
Theologischen Fakultät der Universität Bonn, das sich mit Fragen der „Inszenierung“ der Liturgie befasste. Anlass waren die „runden“ Geburtstage von Prof. Dr. Wolfgang
Bretschneider und Prof. Dr. Albert Gerhards.
Schließlich berichten Christoph Freilinger und Benedikt Rodler von der Jahrestagung der AKL-Junior, den Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, die sich im Frühjahr 2012 in Linz (Oberösterreich) mit aktuellen Fragen der Kirchenraumgestaltung befasst haben.
Weitere Beiträge:
Martin Klöckener
Bibel und Liturgie – Anmerkungen zu ihrer inneren Beziehung nach dem postsynodalen Schreiben „Verbum Domini“ Seite 155
Harald Buchinger
Lebensraum des Wortes – Zur Bibelverwendung der römischen Liturgie am Beispiel ihrer Gesänge Seite 181
Nina Frenzel
Liturgie – das große Gottestheater? Szenische und musikalische Dimensionen. Tagungsbericht über ein interdisziplinäres Kolloquium des Seminars für Liturgiewissenschaft in Bonn Seite 207
Christoph Freilinger und Benedikt Rodler
Kirchenraumgestaltung – Liturgische Orte in der Spannung zwischen Funktionalität und symbolischer Bedeutung. Bericht von der AKL-Junior-Jahrestagung vom 23.-26.02.2012 in Linz (Österreich) Seite 214
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