„Ich schreibe diese Worte schweren Herzens, erfüllt von einem Gefühl von Angst und Verzweiflung. Als die Taliban die Macht in meiner Heimat übernahmen, wurde ich meines Lebensunterhalts und meiner Bildungschancen beraubt.“ So beginnt der Brief, den Sabira Saei im März 2023 verfasst. Sie ist verzweifelt, aber nicht hoffnungslos: „Der einzige Trost, den ich habe, ist mein Reisepass. Ich werde alles tun, um diesen Ort zu verlassen und ein neues Leben zu beginnen.“
Adressat des Hilferufs ist der Deutsche Akademische Austauschdienst. Seit 2021 bietet der DAAD das Programm „Students at Risk“, das Studierende unterstützt, denen in ihrem Herkunftsland das Recht auf Bildung verweigert wird und deren Wohlergehen und Sicherheit in ihrer Heimat bedroht ist. Sie können damit ein Studium in Deutschland aufnehmen oder ihre Promotion fortsetzen. Benannt ist das Angebot, das vom Auswärtigen Amt finanziert wird, nach der deutschen Lyrikerin Hilde Domin. Die Schriftstellerin jüdischen Glaubens musste während der Nazizeit aus Deutschland fliehen und lebte lange Zeit in der Dominikanischen Republik. Das Hilde-Domin-Programm ermögliche den Studierenden ein Studium oder Forschungsaufenthalt in sicherer Umgebung, damit sie anschließend „einen Beitrag zur politischen, wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Entwicklung in ihren Herkunftsländern leisten können“, wie der DAAD die Zielsetzung der Förderung beschreibt. Die Nachfrage ist um ein Vielfaches größer als die zur Verfügung stehenden Plätze. Viele Bewerberinnen und Bewerber kamen zuletzt aus dem Iran, aus Belarus, Myanmar und Syrien. Das Herkunftsland mit den meisten Stipendiaten aber ist Afghanistan, wo vor allem junge Frauen unter der politischen Situation leiden.
Sabira Saei entstammt der ethnischen Gruppe der Hazara, die nicht erst seit der jüngsten Machtübernahme der Taliban unter Diskriminierung und Verfolgung leiden. Sabira wächst mit vier Schwestern und zwei Brüdern auf, der Vater ist Landwirt. Um ihre Ausbildung bezahlen zu können, arbeiten die Kinder neben der Schule: Sie weben Teppiche, die die Familie verkauft. „Trotz der Arbeit habe ich immer mit großer Leidenschaft gelernt – und das oft bis spät in die Nacht“, erzählt Sabira. Ihr Fleiß wird belohnt: Als beste Schülerin ihres Jahrgangs schließt sie die High School ab und beginnt mit einem Studium in Wirtschaftswissenschaften am Institut für Accounting und Management der Bamyan Universität. Auch hier glänzt sie mit hervorragenden Leistungen, schließt drei Semester als Beste ihres Jahrgangs ab und erhält Auszeichnungen der Fakultät.