Wie übersteht die Psyche einen Krieg?

In einem Beitrag, der unter anderem bei Zeit Online erschienen ist, hat KU-Psychologin Prof. Dr. Rita Rosner erläutert, wie die Psyche einen Krieg bewältigt, ob das Durchleben traumatischer Kriegserlebnisse überstanden werden kann, ohne daran krank zu werden – und was die Forschung über Resilienz im Krieg weiß.

In der Wissenschaft gibt es Erhebungen, welcher Anteil der Menschen, die Kriege überleben, später unter Traumafolgestörungen leidet – einer Studie zufolge entwickelten demnach im Schnitt 26,5 Prozent eine Posttraumatische Belastungsstörung und 23 Prozent eine Depression. Rita Rosner hält solche Statistiken jedoch nur bedingt für übertragbar auf die aktuelle Situation: „Jeder Krieg produziert sein eigenes Muster.“ Die Ukraine ist nicht Somalia, ist nicht Afghanistan oder Vietnam. Das Muster des Leids hänge von vielen Faktoren ab, etwa von der Dauer: Je länger ein Konflikt anhält, desto größer ist das Risiko für traumatische Erfahrungen und multiple Traumata – die womöglich auch sexualisierte Gewalt einschließen. „In Afghanistan gibt es ganze Generationen, die noch nie Frieden erlebt haben“, so Rosner. Wer von dort flieht, noch dazu über einen langen, gefährlichen Weg, sei oft schwer traumatisiert. Es spiele auch eine Rolle, mit welcher Brutalität ein Krieg geführt wird. So habe die Auseinandersetzung in Tschetschenien zu jahrelanger massiver Gewalt mit Folter, Mord, Verschleppungen und Vergewaltigungen geführt. „Krieg ist eine Summe von Ereignissen, die sich für jeden anders zusammensetzt“, so Rosner.

Auch Menschen, die bereits aus dem Kriegsgebiet flüchten konnten, sind weiter stark belastet. Die Angst um Angehörige ist mitunter ein größerer Stressfaktor als die Sorge um sich selbst. „Die Leute, die jetzt aus der Ukraine kommen, sind sehr belastet“, sagt Rosner. „Ihre Gedanken werden kreisen: Hätten wir die Tante oder Schwester nicht doch überreden müssen mitzukommen? Werde ich meinen Mann je wiedersehen? Werden meine Kinder eine Zukunft haben?“ Auch litten viele unter Schuldgefühlen: Warum durfte ich mich retten, während mein Mann, mein Sohn und so viele andere noch immer in Gefahr sind?

Wichtig sei für die Menschen Ablenkung, anstatt ständig die Nachrichten zu verfolgen zu schauen. „Es ist total schlecht, wenn jetzt alle dauernd vorm Handy sitzen und versuchen Informationen zu bekommen, weil vielleicht der Bruder in Kiew vermisst wird“, sagt Rosner. „Natürlich ist das ein wahnsinnig starkes Bedürfnis, aber sie werden dann immer wieder zugeschüttet mit schrecklichen Bildern und dadurch womöglich weiter traumatisiert.“

Prof. Dr. Rita Rosner ist Inhaberin des Lehrstuhls für Klinische und Biologische Psychologie der KU und Leiterin der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz. Sie ist Expertin auf dem Gebiet der Erforschung posttraumatischer Belastungsstörungen und therapiert seit Jahren Geflüchtete aus Kriegsgebieten.

Zum vollständigen Beitrag: Wie übersteht die Psyche einen Krieg? (Zeit Online)