Diese und andere Fragen wurden im Laufe des Sommersemesters im deutsch-französischen Studiengang unter der Leitung von Dr. Christina Rüther mit zwei Experten diskutiert. In beiden Fällen machte ein Vergleich der deutsch-französischen mit den deutsch-polnischen bzw. deutsch-griechischen Beziehungen deutlich, wie unterschiedliche die Ausgangsbedingungen für Versöhnung mit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg waren. Dr. Mariusz Kozerski von der Universität Breslau beleuchtete zentrale Versöhnungsgesten zwischen Deutschen und Polen. Er stellte die Mittler der deutsch-polnischen Beziehungen in den Vordergrund, das heißt Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft, die nicht in der ersten Reihe der Politik stehen.
Dr. Babis Karpouchtsis (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) zeigte in seinem einführenden Vortrag über die deutsch-griechischen Beziehungen, wie vielschichtig Versöhnungsprozesse und Konfliktlinien seien können und legte einen Schwerpunkt auf die Märtyrerdörfer in Griechenland. Im anschließenden Workshop wurden die Reden der Bundespräsidenten Joachim Gauck und Frank Walter Steinmeier im französischen Märtyrerdorf Oradour-sur-Glane (2013 und 2024) und in den griechischen Märtyrerdörfern Lingiades (2014) und Kandanos (Kreta, 2024) verglichen. Bemerkenswert waren unter anderem die Reaktionen der Zivilgesellschaft, die neben der juristischen Aufarbeitung (langjährige, vergebliche Forderung in Oradour-sur-Glane) auch konkrete Taten statt Gesten forderten (z.B. im Rahmen der Debatte um Reparationen in Griechenland). So wurde in beiden Beispielen deutlich, dass in Versöhnungsprozessen auf vergleichbare Instrumente zurückgegriffen wird, deren Wirkung aber stark kontextabhängig ist. Dabei ist vor allem das Wissen um und das Gespür für mögliche Reaktionen der Opfervertretung eine zentrale Komponente.