3 Fragen - 3 Antworten: Präsidentschaftswahl in den USA

Die Vorwahlen zur Präsidentschaft in den Vereinigten Staaten sind im vollen Gange und sorgen dieses Mal für einiges Aufsehen in der Medienberichterstattung. Wir haben mit unserem Politikwissenschaftler und USA-Kenner Prof. Dr. Klaus Stüwe (Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft) darüber gesprochen.

Einerseits ist es ein erklärtes Ziel der USA, die Demokratie als politische Ordnung weltweit voran zu bringen. Andererseits scheint das System, mit dem die Vereinigten Staaten ihren eigenen Präsidenten hervorbringen, für Außenstehende schwer durchschaubar und altbacken. Warum ist das System zur Kür des neuen US-Präsidenten so kompliziert?

Das Wahlverfahren für den US-Präsidenten geht im Kern auf Regelungen zurück, die bereits bei der Schaffung der Verfassung 1787 eingeführt wurden. Damals waren die USA das erste Land der Welt überhaupt, in dem die Bürger an der Wahl ihres Staatsoberhaupts beteiligt wurden. Insofern handelte es ich durchaus um ein zukunftsweisendes Konzept. Allerdings herrschte unter den Gründervätern gegenüber der politischen Urteilsfähigkeit der Bürger noch ein gewisses Misstrauen. Deshalb erfand man ein Wahlmännergremium, das bei der Präsidentenwahl sozusagen eine Filterfunktion übernehmen sollte: Die Bürger wählen die Wahlmänner, und diese wiederum wählen den Präsidenten. Ursprünglich hatten die Wahlmänner dabei ein freies Ermessen. Heute ist dies nicht mehr der Fall, sondern die Wahlmänner stehen für einen bestimmten Kandidaten, den sie anschließend auch wählen müssen. Faktisch haben die Wahlmänner damit ihre frühere Filterfunktion verloren. Seit vielen Jahren gibt es deshalb Vorschläge, dieses komplizierte Verfahren abzuschaffen und gleich eine Direktwahl des Präsidenten einzuführen, aber im Kongress wurden entsprechende Verfassungsänderungen bislang stets abgelehnt. In diesem Punkt bleiben die US-Amerikaner gern ihrer langen Verfassungstradition verhaftet. Die momentan ablaufenden Vorwahlen dienen der Kandidatenfindung in den beiden Parteien. Die so genannten „Primaries“ sind nicht verfassungsrechtlich vorgeschrieben, sondern entstanden gegen Ende des 19. Jahrhunderts, weil viele US-Bürger unzufrieden damit waren, dass die Kandidatenaufstellung hinter verschlossenen Türen in Parteigremien ablief. Aus diesem Grund führte man die Vorwahlen ein, bei denen alle Mitglieder einer Partei das Recht haben, sich zu beteiligen. Wenn am Ende bei Republikanern und Demokraten die Sieger der Vorwahlen feststehen, gibt es jeweils einen Parteitag, der die Kandidatenaufstellung formell beschließt. Die beiden Kandidaten treten dann bei der eigentlichen Präsidentenwahl gegeneinander an.

 

Mit Donald Trump hat ein absoluter Außenseiter die eigene Partei offenbar überrollt. In den US-Medien wird er plakativ als "Trumpenstein" tituliert. Warum hat ein Kandidat, der Folter befürwortet und Einwanderer deportieren will, eine Chance, Spitzenkandidat der einst von Abraham Lincoln begründeten Partei zu werden? Was erhoffen sich seine potentiellen Wähler von ihm?

Die Republikanische Partei – oder besser: das alte republikanische Establishment - hat sich den Kandidaten Trump aus meiner Sicht unbeabsichtigt selbst herangezüchtet. Die vergangenen sieben Jahre, in denen der demokratische Präsident Obama eine Reihe liberaler Projekte realisieren konnte, waren eine Zeit der Fundamentalopposition durch die Republikanische Partei. Ob Gesundheitsreform, Einwanderungspolitik, Energiepolitik oder Waffenrecht – alle Vorhaben der Obama-Administration wurden vehement bekämpft. Diese Polarisierung, die zeitweise bis zum Stillstand des politischen Betriebes führte, hat bei vielen Wählern einen tiefe Abneigung gegen die Politikerklasse in Washington geführt. Traditionelle republikanische Wähler, also vor allem konservative Weiße, fühlten sich besonders frustriert, weil sie kaum von den Obama-Reformen profitierten. Die Verdrossenheit manifestiert sich jetzt bei vielen US-Amerikanern in der Unterstützung eines Mannes, der sich als klares Gegenmodell präsentiert: Trump ist der Anti-Washington-, Anti-Parteien-; Anti-Politiker-Kandidat. Das politische Programm des Milliardärs reduziert sich auf wenige Punkte. Er ist gegen Einwanderung, gegen Steuererhöhungen und gegen das Handelsdefizit mit China. Das Ganze wird garniert mit populistischen Sprüchen und perfekt inszenierten Wahlkampfauftritten. Man sieht wenig Substanz in Trumps Programm. Aber darauf kommt es seinen Unterstützern nicht an. Hauptsache, der Geschäftsmann ist nicht einer von denen in Washington. Die Führer der Republikanischen Partei reagieren jetzt ziemlich verschreckt. Dabei ist das Trump-Phänomen auch die Frucht ihrer kompromisslosen Obstruktionspolitik der vergangenen Jahre. Für eine Wende der republikanischen Strategie ist es jetzt im Wahljahr zu spät. Trump ist schon zu erfolgreich.

 

3. Ist das Rennen um die Präsidentschaft noch offen oder ist damit zu rechnen, dass sich die Weltpolitik künftig mit einem US-Präsidenten namens Donald Trump auseinandersetzen muss?

Acht Monate vor der Präsidentschaftswahl ist das Rennen noch völlig offen. Vielleicht schafft es in letzter Minute der gemäßigte Republikaner Marco Rubio noch, Trump abzuhängen? Bis zum Parteitag der Republikaner Ende Juli in Cleveland kann noch viel passieren. Sogar beim Parteitag selbst könnte es noch Überraschungen geben. Und wenn es bei den Republikanern auf Trump als Kandidaten hinauslaufen sollte, so darf doch nicht übersehen werden, dass viele gemäßigte Republikaner und vor allem die Anhänger der demokratischen Partei am 8. November nicht für Trump als Präsident stimmen würden. Umfragen sehen im Moment einen Vorsprung für Hillary Clinton, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten werden wird. Aber auch Hillary Clinton hat ihre Schwächen: Anders als ihr Parteifreund Obama steht sie nicht für ein bestimmtes Programm oder gar einen Politikwechsel. Es gibt in ihrer Vergangenheit ein paar Affären, die sie irgendwann einholen könnten. Es bleibt spannend.

Interview: Constantin Schulte Strathaus