Abschiedsvorlesung von Neutestamentler Lothar Wehr

Der Neutestamentler Prof. Dr. Lothar Wehr hat 36 Semester an der Theologischen Fakultät der KU gelehrt – zum Ende des Sommersemesters geht er in den Ruhestand. Nun hielt er vor Kolleginnen und Kollegen, akademischen Schülern, Freunden und Weggefährten eine Abschiedsvorlesung über „Ehe und Ehelosigkeit im Neuen Testament und seiner Umwelt“.

Seit dem Wintersemester 2006 war Lothar Wehr Lehrstuhlinhaber an der KU und vermittelte mehreren Generationen von Theologie- und Lehramtsstudierenden die Exegese und Hermeneutik des Neuen Testaments. In seiner wissenschaftlichen Tätigkeit sei er der historisch-kritischen Methode stets treu geblieben, sagte die Dekanin der Theologischen Fakultät, Prof. Katharina Karl, bei der Begrüßung zur Abschiedsvorlesung im Holzersaal der Sommerresidenz. Sie dankte Wehr für „lange Jahre der Zugehörigkeit und Mitgestaltung der Theologischen Fakultät“. Ihr erstes biblisches Proseminar während des Theologiestudiums habe sie in München bei Lothar Wehr besucht, erinnerte sich Katharina Karl, als sie einen Überblick zu Wehrs wissenschaftlichem Werdegang gab.

Der gebürtige Duisburger hatte in Bochum und München Katholische Theologie studiert. Seine Promotion stellte er 1985 an der Ludwig-Maximilians-Universität fertig, die Doktorarbeit trägt den Titel „Arznei der Unsterblichkeit. Die Eucharistie bei Ignatius von Antiochien und im Johannesevangelium“. Nach der Priesterweihe, seelsorglichem Wirken als Kaplan in Duisburg und Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent an der LMU folgte 1995 die Habilitation mit dem Thema „Petrus und Paulus – Kontrahenten und Partner“. Dabei beleuchtete Wehr die beiden Apostel „im Spiegel des Neuen Testaments, der Apostolischen Väter und früher Zeugnisse ihrer Verehrung“. Nach Lehrtätigkeiten und Lehrstuhlvertretungen in München, Würzburg, Heiligenkreuz und Bamberg erhielt er 2002 einen Ruf auf den Lehrstuhl für Neutestamentliche Wissenschaften an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg, ehe er vier Jahre später nach Eichstätt wechselte. Neben seiner Tätigkeit an der KU ist Wehr seit 2015 Vorsitzender des Collegium Biblicum München, einem Kreis von Bibelexpertinnen und -experten.

Lothar Wehr gab in seiner Abschiedsvorlesung einen Überblick über das Verständnis von Ehe und Familie sowie von Ehelosigkeit im Neuen Testament, indem er auf die wesentlichen Aussagen Jesu rekurrierte und betonte, sowohl das Verständnis von Ehe als auch das einer zölibatären Lebensform sei im Neuen Testament ein konsistentes. Es könne keine Rede davon sein, dass die Auffassungen Jesu kulturell bedingt betrachtet werden müssten und „in den Kontext der damaligen Zeit einzuordnen“ seien, sagte Wehr auch mit Blick auf aktuelle Diskussionen um die Wiederheirat Geschiedener oder eine Aufhebung des Pflichtzölibats. Die Lebensform der Ehelosigkeit sei im Neuen Testament gut begründet und sollte als wertvolles Zeichen vor der Kirche und der Welt gewürdigt werden. Zwar dürfe sich die Kirche nicht gegenüber der Welt abschotten und eine „Kontrastgesellschaft“ bilden, doch habe sie den Auftrag, für ein Leben nach dem Willen Gottes zu werben. Die Bibel besitze „Sprengkraft“ und rufe die Kirche zu ständiger Umkehr auf, daher nehme auch die biblische Exegese innerhalb der wissenschaftlichen Theologie eine unverzichtbare Position ein, so Wehr.