Begegnungen in Zeitlupe untersuchen: Videoanalyse von Demenz-Begleitung

Soziologinnen und Soziologen interessieren sich auch für Prozesse und Phänomene im gesellschaftlichen Miteinander, die auf den ersten Blick unscheinbar und selbstverständlich wirken, jedoch prägend sind für ganze Lebensbereiche. So widmet sich Christoph Dukat (Mitarbeiter des Lehrstuhls für Allgemeine Soziologie und Soziologische Theorie an der KU) für seine Doktorarbeit derzeit Tätigkeiten und Berufen, in denen der Begriff des „Begleitens“ im Zentrum steht – etwa bezogen auf die Betreuung von Menschen, die von Demenz betroffen sind.

„Konkret geht es um die Frage: Wie tun Akteure das, was sie als ,Begleiten‘ bezeichnen? Welchen Charakter entwickelt der Kontakt zwischen Betreuer und Betreutem?“, erklärt Dukat. Dabei gilt es unter auch zu klären, wie Betroffene im Vergleich auf menschliche Betreuer, Haustiere oder Roboter reagieren – wie etwa eine speziell entwickelte Plüschrobbe. Diese registriert über Sensoren Berührungen und Geräusche, bewegt sich und gibt Laute von sich.

Um die subtilen Aspekte solcher Situationen im Detail zu analysieren, nutzt Dukat selbst erstellte Videoaufnahmen, die etwa eine alltägliche Begegnung eines Demenz-Betroffenen mit einem Betreuer abbilden. Der Vorteil solcher Daten besteht darin, dass sich so nicht nur Sprache, sondern die gesamte Situation samt Gestik, Mimik und anderer Reaktionen der zu sehenden Akteure konservieren lassen. Mithilfe spezieller Software kann man dann wie in Zeitlupe die Struktur der aufgenommenen Situation beschreiben und entschlüsseln: Wie tief lässt sich ein Betreuer auf sein Gegenüber ein und wieviel Routine spiegelt die Begegnung wider? Welche Interaktionen finden statt?

Die Videoanalyse ist in den Sozialwissenschaften in jüngster Zeit als Methodik in den Fokus gerückt. Für den bundesweiten „Arbeitskreis interpretative Videoanalyse“ war die Eichstätter Soziologie vor kurzem Gastgeber eines Workshops, bei dem sich (Nachwuchs-)Wissenschaftler über methodologische Fragen austauschten, die bei der Analyse und Interpretation von audiovisuellen Daten entstehen. So hat es sich etwa bewährt, dass Videosequenzen von einer Gruppe bei gemeinsamen Sitzungen interpretiert und diskutiert werden.

Ergänzend zur Analyse von Videomaterial wird Dukat für seine Studie außerdem ethnographisch vorgehen, indem er Beobachtungen sowie eigene Erfahrungen und Erlebnisse aus einer Tätigkeit in der Demenz- und Hospizbegleitung systematisch erfasst und auswertet.

Weitere Informationen zum „Arbeitskreis interpretative Videoanalyse“ unter https://videoanalysedotnet.wordpress.com