„Begeisterung im Ehrenamt ist wichtig“

Engagement hinterlässt Spuren: Gesprächsreihe setzt KU-Programm zum Jahr des Bürgerschaftlichen Engagements fort

Engagement fördern und sichtbar machen: Das ist eine der Aufgaben von „Mensch in Bewegung“. Mit dem Gemeinschaftsprojekt haben sich die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt und die Technische Hochschule Ingolstadt in diesem Jahr das Ziel gesetzt, eine aktive und mündige Bürgerschaft zu stärken und das ehrenamtliche Engagement in den Mittelpunkt zu stellen. Im Sommer besuchten die Mitarbeitenden dazu engagierte Menschen und Initiativen an rund 50 Orten in der Region.

Mit dem Herbstprogramm setzt die KU die Gespräche mit Vereinen und Initiativen, mit Forschenden und Kommunen fort. In einer Interviewserie präsentieren wir in den kommenden Wochen regelmäßig Auszüge der Gespräche hier im Eichstätter Kurier. Zum ersten Treffen sprachen Christian Kammer (Sportanglerverein Burgheim), Bianca Krauser (Stadt Ingolstadt) und Prof. Dr. Anne-Kathrin Lindau (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt) darüber, wie wichtig eine nachhaltige Entwicklung ist und wie Ehrenamt und Engagement dazu beitragen. Das Gespräch führte Dr. Thomas Metten, Mitarbeiter im Projekt „Mensch in Bewegung“.

 

Bianca Krauser
Bianca Krauser

Die Bundestagswahl zeigt: Kaum ein Thema gilt als so wichtig, wie Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung. Gilt das auch für unsere Region?

Bianca Krauser: 2019 ist mit dem Stadtratsbeschluss in Ingolstadt der Startschuss für die Nachhaltigkeitsagenda Ingolstadt gefallen. Als Stadtverwaltung wurden wir beauftragt, die Strategie umzusetzen. Unser Auftrag ist es, die gesamte Bürgerschaft, Initiativen, Verbände und Vereine, Wissenschaft und Wirtschaft mitzunehmen – da das Thema jeden betrifft. Wir können nur etwas erreichen, wenn sich alle beteiligen. Für die Bürgerinnen und Bürger müssen wir dazu aber einen konkreten Alltagsbezug herstellen. Was bedeutet Nachhaltigkeit für mich? Wie kann ich dazu beitragen?

Frau Lindau, Strategien für Nachhaltigkeit in den Alltag zu übersetzen, ist nicht einfach. Wie gehen Sie das an?

Anne-Kathrin Lindau: Ja, das ist die entscheidende Frage. Oft wird ja der Vorwurf erhoben, es handele sich nur um politisch gewollte Konzepte. Dann stellt sich die Frage: Wie erreichen wir damit viele Menschen? An der Universität verfolgen wir den Ansatz einer „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Uns geht es nicht darum, nur Wissen zu vermitteln. Unsere Frage lautet: Wie komme ich in ein sinnvolles, reflektiertes Handeln? Damit wir nicht nur sagen können, jetzt habe ich etwas Gutes getan, sondern dass wir uns auch bewusst sind, was sind die Ursachen, was die Wirkungen, im Sinne eines systemischen Denkens.

Herr Kammer, mit dem Sportanglerverein Burgheim engagieren Sie sich auch für Nachhaltigkeit, sehr konkret sogar, oder?

Christian Kammer: Nachhaltigkeit heißt ja, etwas für die nachfolgenden Generationen zu erhalten. Bei uns im Verein wird daher nicht nur geangelt. Wir pflegen Gewässer, haben Naturschutz fest in unserem Programm verankert. Unsere Mitglieder, gerade die jungen Mitglieder, bilden wir aktiv dazu heran, die Natur als Ganzes zu sehen. Nicht nur die Fische, auch andere Tierarten, das gesamte Gewässer wahrzunehmen.

Christian Kammer
Christian Kammer

Ihnen geht es also darum, das Ökosystem auch als Ganzes zu bewahren?

Kammer: Ja, wir müssen dabei vor allem den jungen Menschen ein angemessenes Verständnis vermitteln: Was braucht die Natur, damit wir angeln können? Da genügt es nicht, sich im Internet ein Tutorial anzuschauen, man muss allmählich in die Themen hineinwachsen.

Frau Krauser, viele Vereine und Initiative wie die Sportangler leisten wichtige Beiträge zu einer nachhaltigen Entwicklung. Wie lassen sich diese in die Nachhaltigkeitsstrategie einbinden?

Krauser: Ich bin begeistert, von dem, was Herr Kammer berichtet. Wir würden sie gerne zu den Werkstadt-Treffen der Stadt Ingolstadt im Herbst und Winter einladen, in denen wir an einer Vision für Nachhaltigkeit arbeiten. Wir möchten ganz aktiv Vereine, Initiativen und die Bürgerschaft beteiligen, um gemeinsam ein Bild unserer Zukunft zu entwerfen.

Welchen Stellenwert haben junge Menschen hierbei?

Krauser: Gerade die jungen Menschen sind für uns sehr wichtig. Im Lenkungskreis für Nachhaltigkeit ist bereits ein Vertreter des Jugendparlaments beteiligt. Auch bei den Tagen der Nachhaltigkeit achten wir sehr darauf, konkrete Angebote für Schülerinnen und Schüler zu machen. Die Bewerbung läuft stark über die Sozialen Medien, um vor allem junge Zielgruppen zu erreichen. Es geht ja um ihre Zukunft, in der sie später einmal leben müssen.

Herr Kammer, mit dem Verein beabsichtigen Sie ja auch, ein Gewässer künftig als Lernort zu nutzen?

Kammer: Ja, wir haben die Idee, ein Gewässer zu pachten, das wir komplett den Jugendlichen überlassen möchten. Sie sollen das Gewässer so gestalten, wie sie es für richtig halten. Natürlich begleiten wir sie dabei: Wie ist das Gewässer aufgebaut? Welche Fische würden dort leben? Und wie können wir das Umfeld möglichst natürlich gestalten? Auf diese Weise würden sie selbst ein Gespür dafür bekommen und lernen, was das Gewässer und die Fische, die darin leben, brauchen.

Anne-Kathrin Lindau
Anne-Kathrin Lindau

Wird das Lernen in der Praxis zunehmend wichtiger?

Lindau: Ja, es gehört dazu, nicht nur im Klassenzimmer oder zuhause zu sitzen, sondern ganz praktisch an konkreten Herausforderungen zu arbeiten. Uns ist wichtig, das eigene Handeln dabei stärker zu reflektieren. Das ist die berühmte Lücke von Wissen zum Handeln. Wir alle wissen, wie nachhaltiges Handeln geht. Aber was hindert uns daran, uns selbst in Schwung zu bringen? Die Begeisterung, mit der die Menschen im bürgerschaftlichen Engagement aktiv sind, ist hierfür ein wichtiger Punkt. Dass im eigenen Handeln ein Sinn gesehen und dieses nicht verordnet wird. Dass man sich seine Nische sucht: Worauf habe ich wirklich Lust und wo sehe ich meine Stärken?

Braucht es mehr solcher Lernorte wie ein Gewässer für nachhaltige Entwicklung?

Lindau: Ja, auf jeden Fall. Das wäre genau unser Wunsch, auch Schulen noch weiter für außerschulische Lernorte zu öffnen. Das kann vieles sein. Das Gewässer bietet die Möglichkeit, schulische und außerschulische Lernorte miteinander zu verbinden. Auch die Jugendlichen zu stärken, ist ein sehr guter Ansatz, da gerade die jungen Menschen viele neue Ideen einbringen können. Wir sollten den jungen Leuten mehr zutrauen.

Herr Kammerer, in ihrem Verein sind mehr als 500 Mitglieder aktiv. Ist die Begeisterung für Nachhaltigkeit bei allen spürbar?

Kammer: Ja, zum Teil. Es gibt schon auch unterschiedliche Sichtweisen. Wir merken aber, dass Nachhaltigkeit mehr Anklang findet. Es wird erkannt, dass wir das nicht machen, um andere einzuschränken. Wie Frau Lindau sagt: Jeder soll in einem Bereich aktiv werden, für den er sich begeistert. Wenn wir mit Begeisterung an die Sache gehen, handeln wir auch zuverlässiger, weil es unser eigenes Baby ist.

Lindau: Das möchte ich bestärken. Es geht aber auch darum, aus einer Verantwortung heraus zu handeln. Nehmen wir „Fridays for Future“. Teilweise wurde den jungen Menschen die Verantwortungsübernahme für ihre Zukunft abgesprochen. Sie würden nur die Schule schwänzen und freihaben wollen. Dabei wäre es so wichtig, die Aktivitäten der Jugend ernst zu nehmen. Ich finde es sehr entscheidend, dass man für etwas einsteht, im Denken und im Handeln.

Die Vereinsarbeit zeigt, dass sich viele Bürger bereits engagieren.

Krauser: Ja, viele engagieren sich schon. Es gibt aber auch viele, die noch zu gewinnen sind. Unser Ansatz seitens der Stadt ist, darüber hinaus ein gemeinsames Zielverständnis zu schaffen. Unser Slogan lautet: Wie wollen wir leben? Wir möchten uns eine Vorstellung erarbeiten, wie unsere gemeinsame Zukunft aussehen kann und welche Maßnahmen wir ergreifen müssen, um dorthin zu gelangen. Die Werkstadt-Gespräche ab Herbst sind ein erster Versuch, die verschiedenen Personengruppen zusammenzubringen.

Die Grundidee ist also, die Kräfte zu bündeln und gemeinschaftlich zu agieren?

Krauser: Ja, um in den Arbeitsgruppen später dann an verschiedenen Themen arbeiten zu können. Wer kann was machen? Es ist viel Potenzial da, gerade auch bei den Vereinen und Initiativen, man muss es aber zusammenbringen.

Zu den Personen:

Bianca Krauser leitet die Stabsstelle Nachhaltigkeit der Stadt Ingolstadt.

Christian Kammer ist 1. Vorstand des Sportanglervereins Burgheim e.V. 1967

Anne-Kathrin Lindau ist Professorin für Geographiedidaktik und Bildung für nachhaltige Entwicklung.

 
Zum Projekt:

„Mensch in Bewegung“ ist ein gemeinsames Projekt der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und der Technischen Hochschule Ingolstadt. Mit Partnern aus Wirtschaft, Politik, und Zivilgesellschaft bauen die Hochschulen ein regionales Netzwerk für den Wissensaustausch in den Themenfeldern innovative Mobilität, digitale Transformation, nachhaltige Entwicklung und bürgerschaftliches Engagement auf. Das Projekt wird im Rahmen der Förderinitiative „Innovative Hochschule“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Land Bayern mit rund 15 Millionen Euro über fünf Jahre gefördert.