Christliches und biblisches Ägypten: Studienreise der Theologischen Fakultät
Auf die Spuren des alten und des christlichen Ägyptens haben sich Studierende der KU für zwei Wochen lang begeben. Unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Kremer vom Lehrstuhl für Theologie des Christlichen Ostens und Prof. Dr. Burkard Zapff vom Lehrstuhl für Alttestamentliche Wissenschaft und in Kooperation mit dem Collegium Orientale erkundete die Gruppe auf einer Studienreise das Land – vom Sinai den Nil entlang bis nach Abu Simbel.
Professor Kremer wies während der Studienreise die 39-köpfige Gruppe immer wieder „auf die Bedeutung und besondere Eigenart der koptischen Tradition“ hin, die eine enge Verbindung zwischen Ägypten als Land der Bibel und dem heutigen Bewusstsein der Kopten als Bewahrer der damit verbundenen Überlieferungen herstellt.Die Reisegruppe, der auch Studierende des Collegium Orientale angehörten, durfte dies nicht nur an bedeutenden biblisch-historischen Orten, sondern auch in Begegnungen mit den Christen vor Ort erleben.
Nächtlicher Aufstieg auf den Moseberg
Die Reiseroute führte die Teilnehmenden zunächst zu den Ursprüngen des Mönchtums in das koptisch-orthodoxe Antoniuskloster mit der Einsiedlerhöhle des Heiligen Antonius sowie in das Pauluskloster mit dem Grab des Heiligen Paulus von Theben. Der Besuch von Klöstern setzte sich mit der Weiterfahrt der Reiseteilnehmenden in den Sinai fort, wo sie im Gästehaus des griechisch-orthodoxen Katharinenklosters Unterkunft fanden. Einer der Höhepunkte der Reise war für viele trotz der frühen Aufbruchszeit und der unwirtlichen Bedingungen der Aufstieg auf den Moseberg, auf dem der Tradition nach Mose die Gebote von Gott empfangen haben soll. Minustemperaturen und eisigem Wind trotzend durfte die Gruppe den Sonnenaufgang miterleben, den sie mit einer gemeinsamen Andacht auf dem Gipfel des Berges beschloss. Im Katharinenkloster ermöglichte Father Justin, Mönch und Bibliothekar des Klosters, der Gruppe eine exklusive Führung durch eine der ältesten aktiven Bibliotheken der Welt und berichtete von seiner Arbeit im Handschriftendigitalisierungsprojekt des Klosters.
Prof. Kremer (rechts) im gespräch mit Papst Tawadros
Vom Sinai weiter ging die Reise nach Anafora, ins „koptische Taizé“, das durch eine Anlage mit bunt-modern gestalteten Kirchen beeindruckte. Im Wadi Natrun stattete die Gruppe verschiedenen koptisch-orthodoxen Klosteranlagen einen Besuch ab. Hier durften die Reiseteilnehmenden nicht nur die Kirchenbauten und Fresken bewundern, sondern auch die Gastfreundschaft der Mönche erleben. Ein weiterer Höhepunkt der Reise: eine Privataudienz beim Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche, Papst Tawadros II., im Kloster Amba Bischoi. Neben der Möglichkeit zur Besichtigung der modernen Bibliotheks-, Manuskript- und Konferenzräume des Klosters beeindruckte die Reisegruppe vor allem die Herzlichkeit und Dauer des Empfangs. Papst Tawadros II. nahm sich für die Gruppe viel Zeit, sprach über die Rolle der koptischen Kirche in Ägypten und entließ die Reiseteilnehmenden nicht ohne ein Gastgeschenk.
An den Pyramiden von Gizeh
In Begleitung ihres ägyptischen Kooperationspartners an der Forschungsstelle Christlicher Orient in Eichstätt, Prof. Dr. Michael Ghattas, besuchte die Gruppe anschließend die Stadt Alexandria. Vor Ort durfte sich die Gruppe die Katakomben von Kom El Shoqafa, das Griechisch-Römische Museum und die moderne Bibliothek von Alexandria ansehen. In Kairo standen die Pyramiden von Gizeh, von denen eine von Innen besichtigt werden konnte, das Ägyptische Nationalmuseum und das neue Great Egyptian Museum auf dem Plan. Letzteres beeindruckte durch seine gewaltigen Dimensionen. Neben koptische- und griechisch-orthodoxe Kirchenbauten in Alt-Kairo besuchte die Gruppe auch katholische Einrichtungen wie das interrituelle Priesterseminar in Ma’adi und die melkitisch griechisch-katholische Kirche St. Kyrill. Hier durfte sie in Austausch mit Pfarrer Rafiq Greiche über die Situation der Christen in Ägypten und den christlich-muslimischen Dialog treten. Auch das islamische Kairo berücksichtigte man mit dem Besuch der Mohammed-Ali-Moschee und der Al-Azhar-Moschee als zwei bedeutenden Moscheebauten.
Auf dem Weg nilaufwärts zu den antiken ägyptischen Tempelanlagen passierte die Gruppe Samalut, einen Wallfahrtsort der koptisch-orthodoxen Kirche. Hier wird der „21 koptischen Märtyrer“ gedacht, die im Jahr 2015 von Anhängern der Terrrorgruppe „Islamischer Staat“ an der lybischen Küste ermordet wurden. Sowohl die Begegnung mit dem Ortsbischof Paphnutios als auch mit einigen Frauen und Kindern der Märtyrer hinterließ bei vielen Teilnehmenden einen bleibenden Eindruck und ließ ein tieferes Verständnis für die Mentalität der Christen in Ägypten, ihr Selbstverständnis und Selbstbewusstsein in einer Minderheitenposition zu.
Bootfahrt auf dem Nil
Vom christlichen Ägypten weg fokussierte sich die Reise an den restlichen Tagen auf das antike Ägypten. Von daher standen nun der Hathor-Tempel in Dendera, der Totentempel der Hatschepsut in Deir el-Bahri und der Amun-Tempel von Karnak auf dem Programm. Hier konnte man dank der Ausführungen des ägyptischen Guides in die Mythen- und Bilderwelt des alten Ägypten eintauchen und sich von der Imposanz der Bauwerke überwältigen lassen. Während das Tal der Könige durch seine künstlerisch hochwertigen Grabanlagen beeindruckte, ermöglichte vor allem der Horustempel von Edfu, einer der besterhaltenen Tempel Ägyptens, einen anschaulichen Einblick in die Gestaltung altägyptischer Tempelanlagen. In Assuan kam die Gruppe mit Fähren auf die Insel Elephantine sowie auf weitere Inseln, die mit einer Isis-Tempelanlage und einem botanischen Garten aufwarten konnten. Von Assuan aus erreichte die Gruppe ihren südlichsten Punkt der Reise mit dem Besuch der Tempelanlage von Abu Simbel, deren Versetzung im Zuge des Assuan-Hochstaudammprojekts auf großes Interesse stieß.
In den 17 Tagen der Reise durften die Studierenden ein volles und eindrucksreiches Programm miterleben, das die ägyptische Geschichte von der Vergangenheit bis in die Gegenwart verband und fern vom klassischen Tourismus Seiten an Ägypten aufzeigte, die dem normalen Besucher sonst verborgen bleiben. Die Studienreise ließ die Umwelt des Alten Testaments lebendig werden, eröffnete einen Begegnungsraum zum Christentum Ägyptens und ein tieferes Verständnis für Vielfalt, Tradition und gegenwärtiger Situation der Christen in diesem Land am Nil.
(Bericht: Annabell Kühnel; Fotos: Mykola Vytivskyi, Rostyslav Myrosh, Martin John)