Dank Robotern mehr Zeit für die klinische Pflege: KU evaluiert Systeme im Stationsalltag

Der Serviceroboter „Jeeves“ versorgt bereits Hotelgäste auf Bestellung mit Getränken und Snacks. Angepasst an den klinischen Alltag soll er dem Personal mehr Gelegenheit geben, sich der eigentlichen Pflege von Patientinnen und Patienten zu widmen.
© LMU Klinikum

Die Anwendung robotischer Systeme für eine bessere Genesung von Intensivpatienten sowie die Entlastung des Pflegepersonals von fachfremden Tätigkeiten durch Service-Roboter stehen im Mittelpunkt zweier Projekte, welche Prof. Dr. Inge Eberl (Professorin für Pflegewissenschaft an der KU) wissenschaftlich begleitet. Die an der KU angesiedelten Teilprojekte werden durch das Bundesforschungsministerium über drei Jahre hinweg mit insgesamt mehr als 580.000 Euro gefördert. Die Projektkoordination hat jeweils das LMU Klinikum München.

Das Verbundprojekt MobiStaR („Mobilisation Intensiv-Pflegebedürftiger durch einen neuen Standard in der adaptiven Robotik“) greift eine in der Intensivmedizin weitverbreitete Thematik auf: Klinische Studien zeigen, dass schwer betroffene Intensivpatienten die bestmögliche Rehabilitation erzielen, wenn sie dreimal täglich für 20 Minuten eine Frühmobilisation erhalten. Dazu müssen sie allerdings bislang inklusive aller Überwachungsapparate auf ein spezielles Therapiegerät verlegt werden, auf dem man sie fixiert und aufrichtet. Anschließend werden ihre Beine entsprechend eines normalen Gangmusters bewegt. Damit regt man die Blutzirkulation an, beugt Thrombosen vor, stimuliert den Gleichgewichtssinn und erhält Muskelmasse. „Diese Form der Frühmobilisation ist jedoch mit hohem personellen Aufwand verbunden und für Intensivpatienten in ihrem instabilen Zustand mit Risiken behaftet. Deshalb wird derzeit nur ein Teil der in Frage kommenden Patientinnen und Patienten überhaupt frühmobilisiert“, erklärt Professorin Eberl. Dies habe erhebliche Konsequenzen für den Heilungsverlauf, die Belastung der Angehörigen und nicht zuletzt für die Kosten, die für die Krankenkassen und die Versicherten entstehen.

Abhilfe schaffen könnte ein modular aufgebautes System, das vom technischen Partner Reactive Robotics in einem Vorprojekt entwickelt wurde, das ebenfalls bereits vom Bundesforschungsministerium unterstützt wurde. Mit diesem System entfällt der zeit- und personalaufwändige Transfer in ein separates Therapiegerät: Die Apparatur muss lediglich am Pflegebett befestigt werden, so dass für die Bedienung weniger Personal erforderlich ist. Das neue Projekt MobiStaR knüpft an die Erkenntnisse an, die bei der Entwicklung des Prototyps gewonnen worden sind. „Der Fokus des Projekts liegt nicht auf der technischen Entwicklung, sondern der Integration von Robotik in den klinischen Alltag, um eine weite und sinnvolle Verbreitung in der Pflege zu ermöglichen“, erläutert Eberl. Mit dem Vorhaben wird erstmals in Deutschland ein derartiger Mobilisationsroboter in einem klinischen Modellversuch auf einer Intensivstation eingesetzt.

„Generelles Anliegen ist es, Technologie an die Bedürfnisse bzw. Prozesse von guter pflegerischer und physiotherapeutischer Praxis auf Intensivstationen anzupassen - und nicht umgekehrt die Versorgungsqualität an die aktuellen technischen Möglichkeiten“, so Eberl. Dies entspricht auch einer Stellungnahme des Deutschen Ethikrates, der im März betonte, dass Roboter Pflegende unterstützen, aber nicht ersetzen können. Die Reflexion der pflegerischen, therapeutischen und medizinischen Prozesse – auch im Vergleich zur herkömmlichen Therapie – sollen dazu beitragen, um die Nutzung von Robotik in der klinischen Pflege zu einer festen Größe werden zu lassen. Dafür gilt es, viele grundlegende Fragen des Pflegemanagements und der Pflegepraxis zu klären: Wird der Roboter von den Beteiligten tatsächlich als Entlastung empfunden? Welche Einschluss- und Ausschlusskriterien gibt es für den Einsatz? Wie geht man mit Patientinnen und Patienten um, die nicht oder nur eingeschränkt einwilligungsfähig sind? Gibt es messbare Ergebnisse im Heilungsverlauf, die für einen Einsatz des Systems sprechen? Die Evaluation solcher Fragen um den Ersteinsatz des Prototyps bildet den Kern des an der KU angesiedelten Teilprojektes.

Nicht mit Intensivmedizin, sondern dem Alltag auf Normalstationen befasst sich wiederum das Projekt REsPonSe (Robotersystem zur Entlastung des Pflegedienstes von Servicetätigkeiten). Dieses greift die Tatsache auf, dass medizinisch hochqualifiziertes Pflegepersonal verschiedenen Studien zufolge nur noch in 15 Prozent der Arbeitszeit Gelegenheit zur direkten Pflege von Patienten hat. Stattdessen geht viel Zeit bei unnötigen Laufwegen (21 Prozent) und anderen pflegefremden Tätigkeiten (25 Prozent) verloren. Professorin Eberl, die selbst examinierte Krankenschwester ist, weiß: „Die meisten Laufwege werden durch spontane und häufig undifferenzierte Patientenanfragen verursacht.“ Dabei nehmen gerade die Pflegenden eine Schlüsselrolle bei der Versorgung der Patienten und der Koordination von hochkomplexen Maßnahmen ein. Bei herkömmlichen Klingelsystemen erfährt das Pflegepersonal erst durch Nachfrage, welches Anliegen die Patienten haben. Deshalb sind bereits Software-Lösungen erhältlich, mit denen man vom Bett aus – ergänzend zum weiterhin vorhandenen Notfallknopf – per Smartphone-App seine Wünsche und Bedürfnisse spezifizieren kann. Die Anfrage wird dann entsprechend der Zuständigkeit gezielt weitergeleitet – vom Getränkewunsch über Hilfe beim Toilettengang bis hin zur Bewegungshilfe.

In ein solches System, mit dem das LMU Klinikum München bereits Erfahrungen sammeln konnte, soll im Rahmen des Projektes „REsPonSe“ nun zusätzlich der Serviceroboter „Jeeves“ eingebunden werden, der von der Robotise GmbH entwickelt wurde und bereits durch Hotels rollt. Dort können Gäste etwa Getränke oder die vergessene Tube Zahnpasta online ordern und sich dann vom Serviceroboter aufs Zimmer bringen lassen. Die Ware findet sich in mehreren Schubfächern, die auch je nach Art des Produktes gekühlt oder gewärmt werden können. „Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wollen wir zwei bereits vorhandene Systeme auf die Bedürfnisse einer Klinik der Maximalversorgung anpassen, im Alltagsbetrieb erproben und die Akzeptanz bei Personal und Patienten evaluieren“, sagt Professorin Eberl. Zudem wird gemessen, ob der Einsatz des Roboters Einfluss auf die Weglänge hat, die Pflegekräfte im Alltag zurücklegen. Darüber hinaus hoffen die Projektpartner, dass das Personal wieder mehr Gelegenheit für den Austausch mit Patienten und deren Angehörige finden kann. In einem ersten Schritt wollen die Forschenden nun Pflegepersonen und Patienten dazu befragen, für welche Zwecke sie sich den Einsatz des autonomen Serviceroboters vorstellen können, um daraus Einsatzszenarien abzuleiten.