Ein sprechender Baum im Lehr- und Forschungswald der KU

Else berichtet täglich, wie es ihr geht. Die zentralen Eckdaten dabei: Temperatur, Feuchte und Wasserversorgung – denn Else ist ein Baum, genauer gesagt eine Elsbeere. Sie steht im Lehr- und Forschungswald der KU im Forstrevier Adelschlag und wurde kurz vor Ostern mit verschiedenen Sensoren ausgestattet. Als „Talking Tree“ soll sie künftig Daten liefern, um den Einfluss von Umweltfaktoren auf Bäume analysieren zu können.

Betreut wird das Projekt von Prof. Dr. Susanne Jochner-Oette, Professorin für Physische Geographie / Landschaftsökologie und nachhaltige Ökosystementwicklung, und ihrem Team. Seit November 2023 pflegt die KU ihren eigenen Lehr- und Forschungswald, der in Kooperation mit dem Markt Nassenfels und dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ingolstadt-Pfaffenhofen a. d. Ilm entstanden ist. In dem 2500 Quadratmeter großen Waldstück wurden knapp 2000 junge Eichen, Hainbuchen, Flatterulmen und Elsbeeren gepflanzt. Diese Baumarten gelten als trockenheits- und hitzetolerant – und damit gut an die sich verändernden Klimabedingungen angepasst. Insbesondere trifft das auf die Elsbeere zu, die auch als Klimabaum bezeichnet wird. Dank ihrer tiefreichenden Wurzeln kann sie Wasser aus tieferen Bodenschichten erreichen und so selbst längere Trockenperioden überstehen. Auf dem heimischen Laubbaum liegen daher angesichts des Klimawandels große Hoffnungen. 

Um die Anpassungsfähigkeit der Elsbeere zu erforschen, haben Susanne Jochner-Oette und ihr Team ein Exemplar im Lehr- und Forschungswald ausgewählt und verkabelt. „Else“ liefert nun täglich Daten, wie es ihr geht. Die nötigen Geräte wurden im Rahmen des Natur- und Umweltprogramms des Landkreises Eichstätt finanziert. „Unsere Sensoren messen den Wassertransport im Stamm, außerdem bestimmen wir den Stammzuwachs, die Blatttemperatur, die Bodenfeuchte und die Lufttemperatur“, erklärt die Geographie-Professorin. Die erfassten Daten werden in einem Onlineportal gesammelt und dargestellt. Daraus lässt sich ableiten, wie sich Umweltfaktoren auf den Wasserhaushalt, das Wachstumsverhalten und die Gesundheit des Baumes auswirken.

Ein zentraler Parameter ist der Wassertransport von den Wurzeln zu den Blättern, wissenschaftlich als „Saftfluss“ bezeichnet. Wasser wird zur Photosynthese in den Blättern benötigt, zudem werden mit dem Saftfluss Nährstoffe verteilt. „Ein Großteil des Wassers verdunstet durch die Blattöffnungen“, erläutert Susanne Jochner-Oette. „Saftflussmessungen zeigen daher, ob der Baum Wasser verdunstet und Photosynthese betreibt. Somit ist es möglich, den Wasserverbrauch zu bestimmen und festzustellen, ob ein Baum in Trockenphasen unter Stress gerät.“ Auch durch die Messung der Blatttemperatur ist es möglich, Rückschlüsse auf die Verdunstung an den Blättern und den Wasserverbrauch zu ziehen. Bei hoher Sonneneinstrahlung und wenig Niederschlag wird das Blatt stärker aufgeheizt als die umgebende Luft und der Baum verliert Wasser. Es kommt zu Hitze- und Trockenstress – die Spaltöffnungen der Blätter sind geschlossen. Bei guter Wasserversorgung verdunstet der Baum Wasser und die Blätter werden durch die Verdunstungskälte abgekühlt – sie sind kälter als die Umgebungsluft.

Nicht nur die Lufttemperatur wirkt sich auf die Pflanze aus, sondern auch die Bodentemperatur und -feuchte. Mit steigenden Temperaturen im Frühjahr kehrt die Bodenaktivität zurück, Wurzeln können wachsen und Nährstoffe werden zugeführt. „Die Feuchtigkeit im Boden ist dabei der entscheidende Faktor für die Versorgung und die Gesundheit der Pflanze“, sagt Jochner-Oette.

Mit einem sogenannten Dendrometer messen die Eichstätter Geographen zudem den Umfang des Baumstamms. Der wird nämlich nicht nur von Jahr zu Jahr durch den Holzzuwachs breiter, sondern es gibt täglich kleinere Schwankungen im Umfang. Je nach Wetterbedingungen schrumpfen Stämme tagsüber unterschiedlich stark und dehnen sich nachts wieder aus. Abhängig ist dies von der Wasserverfügbarkeit und der Verdunstung der Blätter, hängt also mit dem Saftfluss zusammen. Entsprechend lassen sich durch die minimalen Schwankungen auch Effekte von Trockenperioden ablesen.