„Einsicht in das Gewordene macht Erneuerung erst möglich“: Prof. Dr. Jürgen Bärsch verabschiedet sich

Der Liturgiewissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Bärsch hat 46 Semester an der Theologischen Fakultät der KU gelehrt und geforscht. Zum Ende des Sommersemesters geht er in den Ruhestand. In seiner Abschiedsvorlesung gab er nun vor Kolleginnen und Kollegen, akademischen Schülern, Freunden und Weggefährten nochmals einen Einblick in sein wissenschaftliches Herzensthema, die Liturgiegeschichte.

„Integrativ, wertschätzend, besonnen und dynamisch zugleich“, mit diesen Adjektiven beschrieb die Dekanin der Theologischen Fakultät, Prof. Dr. Katharina Karl, ihren Kollegen Bärsch bei der Begrüßung zu dessen Abschiedsvorlesung im Holzersaal der Sommerresidenz. Er habe nicht nur zig Generationen von Studierenden begleitet, sondern auch „unzählbare Semester“ in hochschulpolitische Aufgaben im Rahmen der Fakultät gesteckt – als Dekan 2015 bis 2017, als Studiendekan, Prodekan und Mitglied des Fakultätsrats. „Du hast der Liturgiewissenschaft und unserer Fakultät sehr viel gegeben“, bedankte sich Karl. Den Abschied nannte sie in Anlehnung an Bärschs Fach, für das Übergänge typisch seien, „ein Schwellenfest“.

Prof. Dr. Jürgen Bärsch

Jürgen Bärsch wurde in Oberhausen geboren und studierte in Bochum, Freiburg und Münster Katholische Theologie. 1986 wurde er zum Priester des Bistums Essen geweiht und war vier Jahre lang Kaplan in Bochum. Ab 1990 promovierte Bärsch an der Universität Trier und arbeitete als Assistent am dortigen Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft und an der Wissenschaftlichen Abteilung des Deutschen Liturgischen Instituts Trier. Seine Promotion zum Thema „Die Feier des Osterfestkreises im Stift Essen nach dem Zeugnis des Liber Ordinarius“ schloss er 1995 erfolgreich ab. Als Dozent für Liturgiewissenschaft wirkte er anschließend bis 2003 an der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen in Paderborn sowie als Dozent für Liturgik am Bischöflichen Priesterseminar in Bochum. 2002 habilitierte sich Bärsch an der Theologischen Fakultät der Universität Trier im Fach Liturgiewissenschaft zum Thema „Allerseelen. Studien zu Liturgie und Brauchtum eines Totengedenktages in der abendländischen Kirche“.  Nachdem er im Wintersemester 2002/2003 an der KU den Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft vertreten hatte, kam er zum 1. April 2003 als ordentlicher Professor für Liturgiewissenschaft an die KU. 

Neben seiner Tätigkeit an der Universität ist Jürgen Bärsch Berater der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz, Mitglied der „Gemeinsamen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz und der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland“ sowie Mitglied der Liturgiekommission des Bistums Eichstätt. Von 2002 bis 2018 agierte er als Direktor des Instituts für kirchengeschichtliche Forschung des Bistums Essen. Er ist Mitherausgeber verschiedener Buchreihen und Mitglied in zahlreichen wissenschaftlichen Vereinigungen wie der Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft oder dem Mediävistenverband. 

Bärschs Forschungsschwerpunkt ist die Liturgiegeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit, insbesondere die Erforschung des sogenannten „liber ordinarius“, ein liturgischer Buchtyp, der den hoch- und spätmittelalterlichen Gottesdienst ähnlich einer Regieanweisung beschreibt. Darüber hinaus beschäftigt sich der Theologe vertieft mit ortskirchlichen Liturgie- und Frömmigkeitstraditionen, der Geschichte der Ritualien und der ortskirchlichen Rezeption der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils. 

Abschiedsvorlesung im Holzersaal

Aus seiner Passion für Liturgiegeschichte machte Jürgen Bärsch in seiner Abschiedsvorlesung keinen Hehl und stellte sie offensiv unter den Titel „Warum betreibt man Liturgiegeschichte?“. Gleich zum Einstieg machte er klar: „Die Liturgiegeschichte gehört zum Kerngeschäft der Theologie.“ Für das Auditorium unterstrich er dies mit mehreren Thesen, warum es sich lohne, Liturgiegeschichte zu betreiben. „Zunächst, weil Einsicht in das Gewordene Erneuerung und Reform, Wandel und Bestand überhaupt erst möglich macht“, betonte Bärsch. Liturgische Reformen gebe es immer wieder auf allen kirchlichen Ebenen. „Liturgiegeschichte lässt uns erkennen, was wirklich wesentlich ist und was eher sekundär und damit veränderbar.“ Ein weiterer Grund, sich mit Liturgiegeschichte zu befassen, sei die Pluralität des religiösen Lebens, die beim Blick in die Vergangenheit sichtbar werde und damit größere Horizonte eröffne. Als Beispiel führte er geistliche Frauengemeinschaften der frühen Neuzeit und ihr eigenständiges Gottesdienstleben an. Der Blick zurück ermögliche es, neue Sichtweisen zu generieren und die Kirche besser zu verstehen. „Auch Liturgiewissenschaftler leben im Hier und Jetzt“, räumte Bärsch ein, das sei aber nur ein weiterer guter Grund zurückzuschauen, „weil heutige Erfahrungen, Krisen und Sichtweisen neue Fragen an die Vergangenheit stelle und zur kritischen Aufarbeitung gegenwärtiger Phänomene beitragen“. Aufzeigen konnte er dies am Beispiel zum Umgang mit Corona und historischen Pandemien. 

Abschließend machte sich Bärsch noch einmal stark für sein Lehr- und Forschungsfeld, die Liturgiewissenschaft: „Es geht darum, den spezifischen Gottesglauben zu betrachten, wie er sich im gefeierten Glauben artikuliert.“ Dabei sei interdisziplinäre Zusammenarbeit unverzichtbar – entsprechend dankte der Professor nicht nur den Kolleginnen und Kollegen seiner Fakultät und seines Fachs, sondern explizit auch den Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fächern, wie Geschichtswissenschaft, Musikwissenschaft und Ethnologie.