Ein zentrales Thema dabei ist die Etablierung einer neuen Bildungskultur für Erwachsene: „In post-totalitären Staaten, die quasi über Nacht demokratisch wurden, sind bislang kaum Strukturen der Erwachsenenbildung vorhanden. Hinzu kommt, dass die die Bevölkerung mit solchen Institutionen noch die Indoktrination aus Sowjetzeiten verbindet. Aber es braucht Reife und Orientierung, um demokratische Prozesse zu verstehen und mitzutragen“, erklärt Kloubert. Derzeit sei in Osteuropa das Phänomen zu beobachten, dass die junge Generation mangels Orientierung und Perspektiven die Mythen aus Sowjetzeiten wieder aufleben lasse, die noch von ihren Großeltern gepflegt worden seien. Dazu trage auch bei, dass etwa durch soziale Medien die Kommunikationsräume in der persönlichen Wahrnehmung homogen seien: Wie in einer Echokammer finde ein Austausch nur mit Gleichgesinnten statt. „Erwachsenenbildung muss deshalb offene und moderierte Kommunikationsräume schaffen, um Handwerkszeug für den Austausch in die Gesellschaft zu tragen“, plädiert Kloubert. Beispielsweise könnten hierzu kulturelle Angebote nebenbei Fenster für Bildung öffnen.
Dazu brauche es Personen, die auch ohne etablierte Strukturen von Erwachsenenbildung unterschiedliche Bildungsbedürfnisse wecken und anbieten, um Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen – etwa in Vereinen, Kirchen oder Verbänden. Eine Plattform für solche Multiplikatoren besteht in einer jährlich stattfindenden Tagung, die Kloubert gemeinsam mit der Tufts University in Boston sowie der University of Maryland für Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler aus Staaten wie Armenien, Kasachstan, Russland oder der Ukraine anbietet. Im Zentrum steht dabei jeweils die Person in der Gesellschaft und Faktoren, die Demokratie fördern und konsolidieren.
Auch der Umgang und die Aufarbeitung von Geschichte sind zentrale Aspekte von Gesellschaften, mit denen sich im laufenden Wintersemester ein internationales Seminar Klouberts an der KU beschäftigte. Gemeinsam mit dem Dokumentarfilmer Prof. Dr. John Michalczyk (Professor for Film Studies) und dem Germanisten Prof. Michael Resler vom Boston College thematisierten Studierende der Katholischen Universität die Erinnerung an die Berliner Mauer sowie den Holocaust anhand einiger Filme Michalczyks. Dabei verglichen sie beispielsweise, wie in Deutschland, Russland und den USA durch Mahnmale und Denkmäler Erinnerung gestaltet wird. Kloubert erläutert: „Als Menschen sind wir Wesen, die sich durch Metaphern und Bilder Sinn verschaffen, um die Welt zu ordnen. Diese Metaphern haben nicht nur inhaltliche Aspekte, sondern auch ästhetische. Über Ästhetik als ,Türöffner‘ lassen sich Themen umfassend bearbeiten – verbunden mit der Reflektion, wie Ästhetik auch in die Irre führen kann.“ In diesem Sinn betonte auch Prof. Dr. Rainer Wenrich (Professur für Kunstpädagogik an der KU) beim Seminar das Potential von Ästhetik, um kritisches Nachdenken und rationales Urteilen zu fördern.
Während in Osteuropa erst noch das Selbstverständnis von Erwachsenenbildung wachsen müsse, habe es in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten einen Wandel durchlaufen. Nachdem zunächst die berufliche Bildung im Mittelpunkt gestanden habe, erfahre mittlerweile die gesellschaftliche Dimension eine wachsende Relevanz: Welche Konzepte des Miteinanders lassen sich vermitteln und wie kann Erwachsenenbildung zu einem Austausch über Formen des Zusammenlebens beitragen? „Dabei kommen auch in Deutschland zwei grundlegende Herausforderungen von Erwachsenenbildung zum Tragen: Sie muss sich über die gesamte Spanne eines Lebens erstrecken und sie ist ein freiwilliges Angebot“, betont Kloubert. Erwachsenenbildung müsse deshalb die Mündigkeit von Menschen anerkennen und in ihren Angeboten deren individuelle Lebenswirklichkeit berücksichtigen.