Ethik für Embryonen: Schlüssige Argumente in Zeiten von biotechnologischer Manipulierbarkeit

Sind die Argumente, mit denen der besondere moralische Status von menschlichen Embryonen begründet wird, auch noch in Zeiten neuer biotechnologischer Möglichkeiten tragfähig? Oder muss man die Argumente präzisieren, um den Schutz von Embryonen weiterhin gewährleisten zu können? Solch grundlegenden Fragen geht das Projekt „Der manipulierbare Embryo“ der Stiftungsprofessur für Bioethik (Prof. Dr. Markus Rothhaar) an der KU nach. Das Bundesforschungsministerium unterstützt das dreijährige Vorhaben mit über 300.000 Euro im Rahmen des Förderschwerpunktes „Ethische, rechtliche und soziale Aspekte (ELSA) der modernen Lebenswissenschaften“.

Im Jahr 1998 erschien in der Fachzeitschrift „Science“ ein Bericht über die erstmalige Kultivierung von Stammzellen aus menschlichen Embryonen. Stammzellen gelten als Hoffnungsträger u.a. bei der Heilung von Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer. Die gezielte Gewinnung solcher Stammzellen um den Preis der Zerstörung der Embryonen wäre jedoch nur dann legitim, wenn man Embryonen moralisch einen geringeren Status zugestehen würde als geborenen Menschen. Dem entgegen stehen in Deutschland das Embryonenschutzgesetz sowie das Stammzellgesetz.

In der Diskussion um den moralischen Status menschlicher Embryonen spielen unter anderem zwei Argumente eine zentrale Rolle: zum einen das Speziesargument, laut dem Embryonen biologisch von Beginn an zur Spezies Mensch gehören, so dass bereits der Embryo ein Recht auf Leben hat. Zum anderen das Potentialitätsargument, welches dem menschlichen Embryo Würde und Lebensschutz zuspricht, weil er das Potential hat, sich zu einem geborenen Menschen zu entwickeln.

Das an der Stiftungsprofessur für Bioethik angesiedelte Projekt geht von dem Umstand aus, dass in den vergangenen Jahren immer mehr Techniken entwickelt wurden, um das Entwicklungspotential und die Spezieszugehörigkeit von Embryonen zu manipulieren. So lassen sich bei Embryonen bestimmte Gene deaktivieren, die für ihre weitere Entwicklung notwendig sind, beispielsweise für die Einnistung in die Gebärmutter. Damit verlieren die Embryonen das Potenzial, sich weiterzuentwickeln. Umgekehrt können etwa normale Körperzellen über mehrere Stufen wieder zu entwicklungsfähigen Embryonen zurückverwandelt werden. Außerdem erlauben verschiedene biotechnologische Methoden zunehmend eine Verwischung der Speziesgrenzen: Menschliche Zellkerne können z.B. in entkernte tierische Eizellen verpflanzt werden. Da auch in der entkernten Eizelle noch tierisches Erbgut vorhanden ist, entstehen so Wesen mit menschlichen und tierischen Genen (so genannte „Cybride“ oder auch „Chimären“). Aktuell wird auch an der gentechnischen Erzeugung von Tieren gearbeitet, welche in sich Organe tragen, die genetisch gesehen menschlich wären.

Welche Grundlage hat dann aber noch das Speziesargument, wenn die Grenzen zwischen den Spezies nicht mehr unverrückbar und natürlich vorgegeben sind? Welche Grundlage hat das Potentialitätsargument, wenn sich das Entwicklungspotential derart manipulieren lässt? „Wir halten es für notwendig, die Argumente für den moralischen Status menschlicher Embryonen vor dem Hintergrund technischer Neuerungen einer grundlegenden systematischen Reflexion zu unterziehen.“, erklärt Prof. Dr. Markus Rothhaar.

Zum Auftakt des Projektes fand nun an der KU eine interdisziplinäre Tagung statt, die unter anderem der Frage nachging, ob alle Varianten der Argumente zum Status von Embryonen betroffen sind oder nur einige. Können und müssen sie möglicherweise reformuliert oder neu gedacht werden? Diesen Fragen werden sich die Wissenschaftler in den kommenden drei Jahren weiter widmen.

Weitere Informationen zum Projekt finden sich in dessen Verlauf unter www.embryonenethik.de.

 

Hintergrund

  • Eine Übersichtsdarstellung zur Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen und den gesetzlichen Rahmenbedingungen im internationalen Vergleich bietet das Deutsche Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaft auf seiner Homepage unter www.drze.de/im-blickpunkt/stammzellen.