Extremwetter in der Antike: Zwischen Götterglaube, Wissenschaft und Prävention

Dürre
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Sturmböen und Starkregen, Hitzewellen und großflächige Wald­brände – aktuell sind weltweit extreme Wetterentwicklungen zu beobachten. „Sintflutartiger Regen, Überschwemmungen, Dürreperioden und sengende Sonne belasteten auch die Bewohner des Römischen Reichs. Und auch die antiken Zeitgenossen beschäftigten sich mit den Ursachen und waren auf der Suche nach Lösungen“, berichtet Prof. Dr. Nadin Burkhardt, die an der KU Juniorprofessorin für Klassische Archäologie ist. Die Erforschung der Geschichte solcher Unwetterphänomene und ihrer Bewältigung könne unser Bewusstsein schärfen für den Umgang mit den heutigen.

Wie Regen entstand, sei den Gebildeten bekannt gewesen. Der Philosoph Aristoteles etwa habe in seiner Meteorologie bereits im 4. Jahrhundert vor Christus zutreffend beschrieben, dass Feuchtigkeit auf der Erde unter der Einwirkung der Sonnenstrahlen verdunste, aufsteige, kondensiere und wieder zur Erde falle. Für den römischen Architekten Vitruv wird dieser physikalische Vorgang in der römischen Bäderkonstruktion nutzbar gemacht. „Doch trotz des naturwissenschaftlichen Wissens galt der Regen an sich als ein von den Göttern geschicktes Phänomen, etwa durch den Wettergott Zeus-Jupiter“, so Burkhardt.

Jun.-Prof. Dr. Nadin Burkhardt
Jun.-Prof. Dr. Nadin Burkhardt, Juniorprofessur für Klassische Archäologie

Wetterzeichen zu deuten, kommenden Regen und Unwetter zu erkennen, hatten sich einzelne Gelehrte wiederholt zur Aufgabe gemacht. Sonnenstrahlen und Wolkenbildung und auch das Verhalten der Tiere wurden genauestens mit einzelnen Phänomenen verknüpft. Der Sophist Claudius Aelianus schreibt im 2. bis 3. Jahrhundert nach Christus im 7. Buch seiner Tiergeschichten im 8. Kapitel, wenn der Ochs brülle und die Erde berieche, so muss es regnen, und wenn er viel und mehr als gewöhnlich fresse, zeige er ein Unwetter an. Und wenn die Eule schreit, so müsse man Sturm erwarten. Auch diese Wetterzeichen galten als von den Göttern geschickt. Der Göttervater wurde als Zeus Semaleos, als der Zeichengebende verehrt.

Indem man aber die Verursacher zu kennen glaubte, konnte man sich bei Unbillen an sie wenden. Zeus-Jupiter war einer der am meisten angerufenen, wenn man Naturgewalten korrigiert haben wollte. Neben Gebeten und Opfern griff man auch auf magische Rituale zurück: Im Lykaiongebirge in Arkadien konnten die Priester über der Quelle der Nymphe Hagno mittels Opfer und einem Eichenzweig Dunst und Wolken und dadurch Regen erzeugen, berichtete der griechische Schriftsteller Pausanias.

Die Römer nannten solche Rituale „aquaelicia“. Zum Beispiel bewahrten sie einen Stein, den Lapis manalis, außerhalb der Stadtmauer vor der Porta Capena im Marsheiligtum auf. Bei großer Trockenheit hätten sie diesen in die Stadt gezogen, und schon fielen Regengüsse, überliefert der römische Lexikograph Festus. Das Ritual hätten sie von den Etruskern übernommen, und Beamte, die Pontifices, seien für die Durchführung verantwortlich. Burkhardt schildert: „Es gab auch Bittprozessionen für Regen, wo die Matronen, die Bürgerinnen, barfuß und mit gelöstem Haar, gemeinsam mit Amtsträgern ohne ihre Statussymbole zum Jupitertempel auf das Kapitol zogen. Solche Rituale stellen eine mentale Verarbeitung des Katastrophenerlebens im Kollektiv dar; zusammen und aktiv lässt es sich leichter ertragen.“

Marc-Aurel-Säule in Rom, 4. Windung, Ostseite, Bildrechte: Cristiano64 CC BY-SA 3.0 Nr.2409338
Marc-Aurel-Säule in Rom, 4. Windung, Ostseite (Cristiano64, CC BY-SA 3.0 Nr.2409338)

Unwetter seien unter Umständen auch kriegsentscheidend gewesen: Auf der Ehrensäule des Kaisers Marc Aurel in Rom symbolisiert ein wilder bärtiger Regengott das errettende Nass, das die römischen Truppen bei ihrer Strafexpedition gegen die Quaden 173 n. Chr. vor dem Verdursten bewahrte. Zuviel des Wassers war ebenfalls ein den Römern bekanntes Problem, denn regelmäßig trat der Tiber über die Ufer und überschwemmte die Stadt. Über 800 Jahren hinweg sind laut Burkhardt allein 30 Hoch­wasserkatastrophen überliefert. Die Stadt war aufgrund ihrer Topographie flutanfällig, sie erstreckte sich zwischen Hügelland inmitten einer sumpfigen Ebene. Vor allem die Ärmeren waren betroffen, wenn ihre Buden und Schlafstellen weggeschwemmt und den Mietshäusern die Fundamente fort­gerissen wurden.  

„Griechen und Römer setzten jedoch nicht allein auf Gebet, Opfer und Magie. Zumal sie sich teils auch der menschengemachten Ursachen bewusst waren, etwa durch großflächige Abholzung, tiefgehenden Bergbau und übermäßigen Dammbau für die Flussregulierung“, betont die Archäologin. In der Antike seien präventive Maßnahmen in Bezug auf Unwetter und ihre Folgen und Hilfsak­tionen nach dadurch ausgelösten Katastrophen bekannt gewesen. So seien im 3. und 2. Jahr­hundert vor Christus nach großen Katastrophen Bittgesandtschaften in Nachbarstädte üblich gewesen; gerade die hellenistischen Herrscher hätten sich als Wohltäter gezeigt und Aufbauhilfen gewährt. Bei den Römern standen die Kaiser in der Pflicht, nicht nur mit Anteilnahme und Finanzzuschüssen. Augustus hatte die „vigilis“, die Feuerschutztruppe, ein­ge­richtet. Bis heute lautet der italienische Begriff für Feuerwehr „vigili del fuoco“. Mehrere Kaiser erließen Bauvorschriften, um Brandschutz und Stabilität zu gewähr­leisten. Juniorprofessorin Burkhardt berichtet: „Kaiser Trajan hatte im 2. Jahrhundert Abfluss- und Ableitungsgräben ausheben lassen, um dem Tiberhochwasser entgegenzutreten, schreibt Pausanias in einem Brief an seinen Freund Macrinus. Und auch im 6. Jh. ist dank Prokop für Kaiser Justinian überliefert, dass er in Bithynien nach furchtbaren Überschwemmungen das Flussbett frei­graben und Bergkuppen abtragen ließ, um sichere (Hoch)straßen zu errichten.“ Im Kata­strophenfall leitete der römische Staat in Person des Kaisers Hilfsmaßnahmen ein wie Instandsetzungszuschüsse, Steuererlass oder Sonderpersonal. Die Hilfsmaßnahmen waren nicht detailliert rechtlich geregelt, gehörten aber wohl zum Erwartbaren und zum Topos des guten Herrschers.

„Das Thema ,Unwetter in der Antike‘ zeigt, wie die altertumswissenschaftlichen Fächer gemeinsam die unterschiedlichen Quellen auswerten müssen, um antike Lebenssituationen zu rekonstruieren: die Schriftzeugnisse zu den Riten, Vorstellungen, Gesetzen und Leistungen, die Inschriften für die Götterverehrung und die Instandsetzungsmaßnahmen und die archäologischen Befunde für die Rekonstruktion des tatsächlich Umgesetzten etwa bei Hochwasserschutzmaßnahmen“, so Burkhardt.