„Hochschulen tragen eine besondere Verantwortung für nachhaltige Entwicklung“

Vor zehn Jahren hat die KU erstmals ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept verabschiedet. Unter Leitung der Nachhaltigkeitsbeauftragten Prof. Dr. Ingrid Hemmer ist die KU seitdem mit Blick auf die gesamte Institution in diesem Themenfeld engagiert. „Unsere Universität kann beachtliche Fortschritte vorweisen, so dass wir auch bundesweit zu einer Vorreiterin im Hochschulbereich gehören. Zu verdanken ist dies besonders der Ausdauer und dem Engagement von Professorin Hemmer. Durch sie ist Nachhaltigkeit zu einem strategischen Querschnittsthema für die Universität geworden“, so KU-Präsidentin Prof. Dr. Gabriele Gien. Mit ihrem Eintritt in den Ruhestand hat Ingrid Hemmer kürzlich das Amt als Nachhaltigkeitsbeauftragte an ihre Nachfolgerin auf der Professur für Geographiedidaktik und Bildung für nachhaltige Entwicklung, Prof. Dr. Anne-Kathrin Lindau, übergeben. Sie wird dabei ein neues, partizipativ erarbeitetes Nachhaltigkeitsgesamtkonzept verfolgen, das Ziele bis ins Jahr 2030 definiert und von den zuständigen Gremien nun verabschiedet wurde.

„Hochschulen und Universitäten tragen eine besondere Verantwortung für die Transformation der Gesellschaft in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung. Sie können durch ihre Forschung zu einer nachhaltigen Entwicklung entscheidend beitragen. Vor allem aber bilden sie die zukünftigen Entscheidungsträgerinnen und -träger der Gesellschaft aus. Nicht zuletzt sollten sie durch ihr eigenes Tun auf dem Campus, den eigenen nachhaltigen Betrieb, ein Vorbild sein“, betont Hemmer. Als Inhaberin der Professur für Geographiedidaktik, die sie seit 1991 innehatte, habe sie die Chance gehabt, sich auch selbst in Forschung und Lehre besonders für diese Thematik einzusetzen. Zumal das Fach Geographie durch den Fokus auf Mensch-Umwelt-Beziehungen eine besondere Affinität zu Fragen der Nachhaltigkeit habe.

Eigentlich wollte Professorin Hemmer im April ihr Abschiedskolloquium abhalten, das aufgrund der aktuellen Lage nun voraussichtlich erst im Wintersemester stattfinden kann. Auch im Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit habe – so Hemmer – die Corona-Pandemie derzeit die öffentliche Aufmerksamkeit verschoben. Bis zu deren Beginn habe die Fridays-for-Future-Bewegung für wissenschaftliche Erkenntnisse zu Klimawandel und Artensterben sensibilisiert. Nach dem Abflauen der Corona-Krise werde man aber hoffentlich wieder daran anknüpfen. Die Krise selbst biete Chancen, die Transformation zu einer nachhaltigeren Gesellschaft zu stärken.

Hemmer hat Nachhaltigkeit jedoch nicht nur bezogen auf die KU erfolgreich zum Thema gemacht – etwa durch die EMASplus-Zertifizierung als bundesweit erste Universität – sondern auch eine Vernetzung von Hochschulen in diesem Bereich vorangetrieben. So wurde während ihrer Amtszeit sowohl die KU von der deutschen UNESCO-Kommission mehrfach in Sachen Nachhaltigkeit ausgezeichnet als auch das wesentlich von ihr mitinitiierte Netzwerk „Hochschule und Nachhaltigkeit Bayern“. Ebenso engagierte sie sich bundesweit für Fragen von Nachhaltigkeit sowie Bildung für Nachhaltige Entwicklung im Hochschulbereich. Erst im Januar dieses Jahres war die KU Gastgeberin für ein Expertentreffen rund um die Qualifizierung für Nachhaltigkeit in der Hochschullehre.

Wie sich das Verständnis von Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren weiterentwickelt hat, zeigt auch ein Blick in das neue Nachhaltigkeitsgesamtkonzept: Während die Fassung aus dem Jahr 2010 noch die drei Themenfelder Forschung, Lehre und Campus-Management umfasste, definiert das bis ins Jahr 2030 reichende Konzept nun zusätzlich Ziele für die Bereiche Governance, Transfer und studentisches Engagement. Das Konzept versteht sich als langfristig angelegte Strategie, um die Mitarbeitenden der KU und ihre Studierenden als zukünftige Entscheiderinnen und Entscheider für Themen der nachhaltigen Entwicklung zu sensibilisieren. Sie sollen dazu befähigt werden, nachhaltige Entwicklungsprozesse zu gestalten. „Die strukturelle Verankerung soll dabei noch weiter verstärkt sowie Forschung und Lehre für eine nachhaltige Entwicklung noch weiter unterstützt werden. Meine Vision wäre, dass die KU in zehn Jahren ein deutlich sichtbares Alleinstellungsmerkmal für die Forschung ausgebildet hat und dass die Studierenden die KU nicht verlassen, ohne über die Kompetenz zu verfügen, sich für eine nachhaltige Entwicklung zu engagieren“, so Hemmer. 

Weitere Informationen zum Engagement der KU in Sachen Nachhaltigkeit finden sich unter www.ku.de/nachhaltigkeit.

 

Interview mit Prof. Dr. Ingrid Hemmer

Worin besteht Ihr ganz persönlicher Bezug und Antrieb rund um das Thema Nachhaltigkeit - auch im Hinblick auf Ihre Tätigkeit als Geographie-Didaktikerin?

In den 1980er Jahren hat mich das Thema Waldsterben so aufgerüttelt, dass ich umweltpolitisch aktiv wurde. Später kamen Begegnungen dazu, die mich interkulturell und global sensibilisiert haben. Beide Stränge mündeten für mich in der Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung. Als Geographie-Didaktikerin hatte ich die Chance, mich in Forschung und Lehre für diese Thematik besonders einzusetzen. Die Geographie untersucht Mensch-Umwelt-Beziehungen in verschiedenen Räumen der Erde und hat darum ein besondere Konzept- und Themenaffinität zu einer nachhaltigen Entwicklung. Der Geographieunterricht ist Hauptträgerfach einer Bildung für nachhaltige Entwicklung und zielt auf eine umwelt- und sozialgerechte Handlungskompetenz ab. So lag es nahe, hier einen wichtigen Schwerpunkt in Forschung und Lehre zu setzen.

 

Der Begriff Nachhaltigkeit ist an sich schon über 300 Jahre alt. Welchen Stellenwert spielt das Thema heutzutage in Gesellschaft und Politik? Wie haben sich der Bezug zu Nachhaltigkeit und das Konzept von Nachhaltigkeit verändert?

Der heutige Stellenwert des Themas nachhaltige Entwicklung in der Gesellschaft ist grundsätzlich groß. Vor der Corona-Pandemie war die öffentliche Aufmerksamkeit und die Sensibilität durch die FFF –Demonstrationen, aber auch durch die alarmierenden Erkenntnisse aus der Wissenschaft zum Klimawandel und dem Verlust der Artenvielfalt stark angewachsen. Nun wurde sie durch die Corona Thematik überrollt, allerdings wird sie uns nach Abflauen der Corona-Krise wahrscheinlich wieder einholen. Der Stellenwert in der Politik ist leider nicht so hoch, wie er sein müsste. Immer wieder rücken ökonomische Interessen in den Vordergrund. Rhetorisch wird eine nachhaltige Entwicklung eigentlich von allen reklamiert, de facto leider aber nicht ernsthaft genug angestrebt.

 

In welcher Rolle sehen Sie dabei speziell Hochschulen und Universitäten?

Hochschulen und Universitäten tragen eine besondere Verantwortung für die Transformation der Gesellschaft in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung. Sie können durch ihre Forschung zu einer nachhaltigen Entwicklung entscheidend beitragen. Vor allem aber bilden sie die zukünftigen Entscheidungsträger*innen der Gesellschaft aus. Nicht zuletzt sollten sie durch ihr eigenes Tun auf dem Campus, den eigenen nachhaltigen Betrieb, ein Vorbild sein.

 

Wie beurteilen Sie die Entwicklung an der KU im bundesweiten Vergleich?

Die KU hat sich 2010 auf den Weg begeben, eine nachhaltigere Hochschule zu werden und dabei einen gesamtinstitutionellen Ansatz verfolgt. Sie ist seitdem ein gutes Stück vorangekommen und gehört bezüglich Nachhaltigkeit gemeinsam mit der Leuphana und der Nachhaltigen Hochschule Eberswalde und einigen wenigen anderen zu den Vorreiterhochschulen in Deutschland.

 

Das erste Nachhaltigkeitskonzept der KU wurde 2010 verabschiedet. Zehn Jahre später wurde nun ein neues Konzept erarbeitet, das wiederum bis ins Jahr 2030 weist. Was wurde bisher erreicht und wo soll die KU in zehn Jahren stehen?

Die KU hat auf ihrem Weg zur Nachhaltigkeit einige Fortschritte erreicht. Insbesondere mit ihren Campusnachhaltigkeitsmanagement EMASPlus und ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung ist sie sehr vorbildlich, wie ihr auch durch ein externe Evaluation 2019 bestätigt wurde. Das neue Konzept umfasst Ziele für nunmehr sechs Handlungsfelder – Governance, Forschung, Lehre, Betrieb, Transfer, studentisches Engagement -, die bis 2030 erreicht werden sollen. Die strukturelle Verankerung soll dabei noch weiter verstärkt sowie Forschung und Lehre für eine nachhaltige Entwicklung noch weiter unterstützt werden. Meine Vision wäre, dass die KU in zehn Jahren ein deutlich sichtbares Alleinstellungsmerkmal für die Forschung ausgebildet hat und dass kein Studierender die KU verlässt, ohne über die Kompetenz zu verfügen, sich für eine nachhaltige Entwicklung zu engagieren.