„Den von uns untersuchten Schulen geht es darum, Schüler und Schülerinnen mit besonderen Heterogenitätsmerkmalen – von der Hochbegabung über Lernschwierigkeiten bis zur Behinderung – umfassend zu fördern“, erklärt Professor Schönig. Die Frage, wie man den Herausforderungen eines solch weiten Inklusionsverständnisses durch Schulentwicklung gerecht werden kann, bewegt inzwischen viele Schulen, spätestens seitdem die UN-Behindertenrechtskonvention vor sechs Jahren in der Bundesrepublik den Rang eines Bundesgesetzes erhielt.
Die 90 Teilnehmer der Eichstätter Fachtagung zu Inklusion und Raum – darunter Pädagogen, Schulleitungen, Personen der Schulverwaltung, Experten des Bauwesens und der Erziehungswissenschaft – waren auf Einladung Schönigs zusammengekommen, um den Inklusionsbegriff und das Inklusionsverständnis zu schärfen, Förderkonzepte zu erörtern und die Rahmenbedingungen gelingender Inklusion zu diskutieren. Dabei wurde die Bedeutung des Schulraums für die Inklusion besonders herausgestellt: Welcher Raumprogramme bedarf die jeweilige Schule, der nunmehr eine erhöhte Inklusionsleistung abverlangt wird?
„Zu denken ist an die räumliche Differenzierung des Klassenzimmers, an die räumliche Verbindung von Klassenzimmern mit Erschließungszonen, an die bauliche, farbliche und akustische Gestaltung von Aufenthalts-, Rückzugsräumen und Gemeinschaftsflächen, aber auch an die Gestaltung von Außenanlagen und Räumen für Lehrkräfte“, so Schönig. Prüfstein für diese Fragen seien vor allem die Schulkonzepte von fünf im Buch porträtierten und auf der Tagung vertretenen Schulen aus Berlin, Kassel, München, Hilpoltstein (Auhof) und Thalmässing gewesen. Die Tagungsgäste waren sich einig darin, dass eine inklusive Schule nur um den Preis einer pädagogisch angemessenen Raumgestaltung zu haben sei.
Ob zusätzliche spezielle Räume erforderlich seien, hänge vor allem davon ab, welchen sonderpädagogischen Förderbedarf Schüler und Schülerinnen mitbringen und welche Behinderungsformen an einer Schule vertreten sind. Sowohl für die Schulentwicklung im Allgemeinen als auch für das Raumprogramm der jeweiligen Schule gilt gleichermaßen: Es muss „maßgeschneidert“ sein und zugleich Gestaltungsoptionen für die Zukunft offen halten. Zu bedenken sei, dass Inklusion nicht nur auf die Ressource Raum angewiesen ist. Sie benötigte auch personelle, zeitliche und materielle Ressourcen. „Die Experten sind sich darin einig gewesen, dass in inklusiven Schulen multiprofessionelle Teams, bestehend aus Lehrkräften, Sonderpädagogen, Schulbegleitern, Erzieherinnen und ggf. Pflegefachkräften tätig sein sollten. An dieser Stelle schließt sich wiederum der Kreis zu den Raumfragen, denn auch Kooperation braucht Räume“, erklärt Schönig.
Detaillierte Einblicke in die Arbeit an den 15 untersuchten Schulen gibt das jetzt im Hep-Verlag erschienene Buch „Inklusion sucht Raum“:
Wolfgang Schönig, Christina Schmidtlein-Mauderer: Inklusion sucht Raum. Porträtierte Schulentwicklung, hep verlag, 2015, 328 Seiten, 41 Euro, ISBN 978-3-0355-0366-1.