„Wir wollen gemeinsam das Thema Nachhaltigkeit mit einem noch stärkeren Praxisbezug in der Region 10 etablieren und betrachten uns dafür als schlagkräftiges Forum“, betonte KU-Präsidentin Prof. Dr. Gabriele Gien. Das Thema verbinde beide Hochschulen – etwa durch das gemeinsame Verbundprojekt „Mensch in Bewegung“. Gien schilderte, dass die KU als erste Universität bundesweit für ihr ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagement nach „EMAS plus“ zertifiziert worden sei und sich Nachhaltigkeit in zahlreichen Studiengängen und Forschungsprojekten konkret abbilde. THI-Präsident Prof. Dr. Walter Schober ergänzte, dass auf dem geplanten zweiten Campus der Technischen Hochschule in Neuburg die neue Fakultät „Nachhaltige Infrastruktur“ mit den Studienfeldern Bau, Energie und Umwelt aufgebaut werde. „Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Verpflichtung gegenüber kommenden Generationen, sondern kann auch die technologische Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen stärken“, so Schober. Der Gründer und Leiter des inas, Professor Reinhard Büchl, bezeichnete es als „singuläre Konstellation“, dass die KU und die THI ein Themenspektrum von geisteswissenschaftlichen und ethischen Fragestellungen bis hin zu High-Tech abdecken – und dies in einer Region, in der Nachhaltigkeit modellhaft von der Landwirtschaft bis zur Großindustrie praktiziert werden könnte.
Büchl war über 45 Jahre hinweg als Unternehmer in der Entsorgungsbranche tätig und gründete 2017 das Institut für Angewandte Nachhaltigkeit. „Auch wenn es pathetisch klingt: Meine Mission ist es, die Welt für meine Enkel zu retten. Meine Vision besteht darin, die Region 10 als Leuchtturm-Region für Nachhaltigkeit zu positionieren“, so Büchl bei der Auftaktveranstaltung an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Ingolstadt. Es sei jetzt notwendig, die richtigen Botschaften zu setzen, um die Wende hin zur Nachhaltigkeit zu schaffen. „So wie die ,Digital Natives‘ moderne Medien nutzen, brauchen wir ,Sustainable Natives‘, die von Kinderbeinen an ganz selbstverständlich mit Fragen von Nachhaltigkeit umgehen“, forderte Büchl. Zwar müssten für eine Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit Konsum und Produktion grundlegend hinterfragt werden. Gleichzeitig müsse man den Menschen deutlich machen, dass eine nachhaltige Lebensweise nicht Verzicht, sondern Änderung bedeute: „Der Verbrauch von Plastiktüten in Deutschland ist binnen weniger Jahre von sieben Milliarden auf zwei Milliarden gesunken. Niemand hat dies bislang als Verlust wahrgenommen.“ Es sei eine umfassende Vernetzung von Kompetenzen notwendig, die sich auch in der neuen Kooperation von inas, KU und THI ausdrücke. Darüber hinaus müssten Bürger, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft unter einem Dach vereint werden, um das Thema Nachhaltigkeit anzugehen. „Stellen Sie sich vor, die Erde würde absehbar in 25 Jahren von einem Asteroiden getroffen. Welche Anstrengungen würde die Menschheit unternehmen, um die Katastrophe abzuwenden? Wir haben es mit einem ,Klima-Asteroiden“ zu tun, der auf uns zukommt und alles menschliche Leben auslöscht. Aber dieser ist menschgemacht, wir können das Ruder selbst herumreißen“, appellierte Büchl.
Ingolstadts Oberbürgermeister Dr. Christian Lösel plädierte in seiner Ansprache für die Umsetzung von Nachhaltigkeit „mit vollem Herzen und vollem Hirn“, die Befürchtungen der Menschen etwa im Hinblick auf Arbeitsplatzverluste ernstnehme. Lösel schilderte den in diesem Jahr angestoßenen Prozess zur Erstellung einer Nachhaltigkeitsstrategie für die Stadt Ingolstadt als das wohl größte derzeit laufende Projekt. In der abschließenden Podiumsdiskussion unterstrich er, dass Nachhaltigkeit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, bei der die drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales Berücksichtigung finden müssten.
Für die IHK München und Oberbayern berichtete Elke Christian, dass es zwar auf Ebene der Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit noch viel Nachholbedarf gebe, jedoch auch beispielhafte Leuchttürme in Mittelstand und Industrie vorhanden seien.
Prof. Dr. André Habisch (KU) wies darauf hin, dass entscheidende Weichenstellungen auch außerhalb des direkten Einflussbereichs im globalen Rahmen getroffen würden, wenn etwa die brasilianische Regierung wirtschaftliche Interessen über den Schutz des Regenwaldes stelle. Zugeständnisse für Nachhaltigkeit müssten zum Teil auch durch höhere Preise erkauft werden. Auch Prof. Dr. Georg Barfuß (THI) forderte eine ehrliche Diskussion darüber, dass adäquate Bedingungen entlang globaler Lieferketten mit Kosten verbunden seien. Für einen pragmatischen Ansatz warb die Studentin Denise Rink, die vor kurzem gemeinsam mit anderen Kommilitonen der THI den Verein „Out Future“ gründete: „Wir sollten weniger reden und mehr machen. Wir haben eine Chance, wenn es genügend Menschen gibt, die wenigstens einen Wandel hin zu Nachhaltigkeit probieren.“