Kommunikationsplattform und Trendsetter: 30 Jahre Eichstätter Tourismusgespräche

Explizit mehr als eine reine Jubiläumsveranstaltung war die 30. Auflage der Eichstätter Tourismusgespräche, die der Lehrstuhl Tourismus der KU in dieser Woche veranstaltete. Vielmehr war die Tagung – wie Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Harald Pechlaner betonte – Anlass für eine Selbstreflexion von Tourismus: „In den 90er-Jahren war häufig noch die Rede von Fremdenverkehr. Angesichts von Themen wie Nachhaltigkeit, Sicherheit oder Overtourism stellt sich heute die Frage, wohin sich Tourismus künftig entwickeln wird.“ Entsprechend stand die Veranstaltung unter dem Leitthema „Geht das touristische Zeitalter zu Ende?“. Pechlaner dankte für die langjährige Unterstützung durch Stadt und Landkreis für die Tourismusgespräche, die wieder im Eichstätter Landratsamt stattfinden konnten.

Zu Beginn der Tagung blickte Christoph Würflein vom Naturpark Altmühltal auf 30 Jahre Eichstätter Tourismusgespräche zurück und betonte den Wert der Vernetzung zwischen Universität und Region durch die Veranstaltungsreihe. „Die Eichstätter Tourismusgespräch waren und sind Kommunikationsplattform und Trendsetter – auch, um innerhalb der Region ein positives Bewusstsein für Tourismus zu schaffen“, so Würflein. Als vier zentrale und wiederkehrende Themenkreise beschrieb er dabei Umwelt und Nachhaltigkeit, Regionalität, Destinationsmanagement und aktuelle Trends auf regionaler und nationaler Ebene. Daran anschließend stellte der italienische Erfolgsautor Marco d’Eramo („Die Welt im Selfie - Eine Besichtigung des touristischen Zeitalters“) seine Überlegungen zur aktuellen Situation des Tourismus dar. Dabei ist für d’Eramo auf der einen Seite der Tourismus eine Errungenschaft der modernen Gesellschaft und des demokratischen Zeitalters. Auf der anderen Seite kam d’Eramo zu dem Schluss, dass durch eine Zunahme der touristischen Bewegungen gerade in Städten viele Bereiche primär nicht mehr als funktionierende Einheiten für die lokale Bevölkerung dienen, sondern als inszenierte Entertainment-Bereiche, in denen Touristen für gewissermaßen Einwohner auf Zeit sind. Sehr provokativ meinte d’Eramo, dass eine Stadt stirbt, wenn sie allzu sehr dem Tourismus überlassen wird.

Für Dr. Dirk Glaesser (International Association of Scientific Experts in Tourism) bieten angesichts einer verstärkten Diskussion zu nachhaltigem Tourismus die Digitalisierung und Big Data neue Möglichkeiten der Messbarkeit von Tourismus: So erlaube dies, im Gegensatz zu traditionellen Tourismusstatistiken, nun eine neue, analytische Beschreibung des Tourismus und der Reisenden sowie der dahinterstehenden Verhaltensmuster. In diesem Zusammenhang betonte der Linzer Tourismusdirektor Georg Steiner, dass in Zeiten, in denen verstärkt über Overtourism diskutiert wird, gleichwohl ein Ungleichgewicht zwischen Destinationen mit hoher Konzentration auf der einen, und Destinationen mit ungenutzten Kapazitäten und Potenzialen auf der anderen Seite besteht.

Duccio Canestrini von der Trentino School of Management hob hervor, dass ein qualitativ hochwertiger Tourismus am Ende immer von der Lebensqualität der lokalen Bevölkerung abhängig sei. Aus einer deutlich kritischeren Perspektive betrachtete schließlich Jürgen Kaube, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, den Tourismus: Für ihn ist Tourismus letzten Endes eine Art „Schichtungskarneval und Rollenkaraoke“ sowie ein soziales Spiel, das ein Großteil der Gesellschaft zwar fast verpflichtend mitspielt, die wirklichen Beweggründe hinter dessen Sinn aber im Unklaren liegen: „Warum zum Teufel reisen wir?“, meinte er ganz provokativ.

Die Diskussionen der 30. Eichstätter Tourismusgespräche zeigten, dass der Tourismus sich in einem grundlegenden Wandel befindet, der die Art und Weise des Reisens erheblich zu verändern scheint. Dies beginnt bei zunehmend wichtiger werdenden Fragen der Nachhaltigkeit und den negativen Konsequenzen verstärkter nationaler wie internationaler Reiseströme. Hinzu kommen Auswirkungen der Digitalisierung hinsichtlich des Kontaktes von Destinationen mit Reisenden sowie ein Streben nach immer neuen Erfahrungen und Erlebnissen, die möglichst einzigartig sein sollen. Gleichzeitig lässt sich auf Kundenseite auch ein einsetzendes, neues Bewusstsein für die Folgen des eigenen Handelns erkennen. Urlaub wird vermehrt individuell gestaltet, so dass künftig absehbar weniger auf pauschalisierte Angebote großer Reiseveranstalter zurückgegriffen werden dürfte. Mit Spannung wird in diesem Zusammenhang sicherlich auch das Reiseverhalten der jungen Generationen zu beobachten sein.