KI in der Grundschule: KU erhält Zuschlag für Aufbau einer europäischen Lehrerakademie

Künstliche Intelligenz im Mittelpunkt, dazu mehrere internationale Partner und eine Kombination aus erfahrenen und angehenden Pädagogen: Das ist das Erfolgsrezept der „SmartStart Erasmus+ Teacher Academy“, die in den kommenden Jahren an der KU entstehen wird. Prof. Dr. Klaudia Schultheis, Prof. Dr. Heiner Böttger und Juniorprofessorin Dr. Barbara Lenzgeiger setzten sich mit ihrem Antrag im Rahmen einer EU-Ausschreibung durch. Im Ergebnis werden sie ab 2025 den Aufbau einer European Teacher Academy mit zwölf Partnerinstitutionen in sieben Ländern wissenschaftlich leiten und koordinieren. Das beantragte Fördervolumen beträgt knapp 1,5 Millionen Euro.

Grundschüler mit Tablet
Ziel von SmartStart ist es, KI-basierte Methoden und Werkzeuge pädagogisch sinnvoll in den Grundschulunterricht zu integrieren.

Ziel des SmartStart-Projekts ist es, Lehrkräfte und Lehramtsstudierende zu befähigen, KI-basierte Methoden und Werkzeuge pädagogisch sinnvoll in den Grundschulunterricht zu integrieren. „Es gibt beispielsweise Tutorensysteme oder Apps, die interaktiv auf den Lernfortschritt des einzelnen Schülers reagieren“, erklärt Prof. Dr. Klaudia Schultheis, die an der KU den Lehrstuhl für Grundschuldidaktik und Grundschulpädagogik innehat. KI habe das Potenzial, Lehrkräfte zu entlasten, damit mehr Zeit für das einzelne Kind bleibt. Gerade in der Grundschule sei das von immenser Bedeutung, betont Schultheis. Hier sei die Schülerschaft besonders heterogen, alle Leistungsstärken, alle sozialen Hintergründe vertreten: „Gleichzeitig selektieren wir bereits in der vierten Klasse, zeichnen Berufswege vor. Entsprechend muss die Förderung in der Grundschule am stärksten sein, so dass wirklich kein Kind zurückbleibt. Dahingehend haben wir große Erwartungen an die Möglichkeiten, die KI uns bietet.“

Das Eichstätter Antragsteam hofft durch das Fortbildungsprogramm auf eine „transformative Wirkung auf die Grundschulbildung“ und setzt dafür mehrfach auf innovative Ideen. So betritt das SmartStart-Projekt mit dem Thema KI – trotz dessen aktuell großer Popularität – Neuland: „Im Grundschulbereich steht das Thema noch am Anfang, gleichzeitig sehen wir einen riesigen Bedarf nach Fortbildungen dazu“, sagt Prof. Dr. Klaudia Schultheis. Ihre Kollegin Dr. Barbara Lenzgeiger ergänzt: „Mit SmartStart wird es uns gelingen, KI auch in der Grundschule stark zu machen.“ Lenzgeiger, die 2023 die Juniorprofessur für Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik an der KU übernahm, wird ihre Expertise zu KI und zu digitalen Medien in das Projekt einbringen. Die Integration verschiedener Aspekte von Digitalisierung in den Unterricht zählt zu ihren Forschungsschwerpunkten.

Langfristige Implementierung fest vorgesehen
Prof. Dr. Klaudia Schultheis stellt die Struktur des SmartStart-Projekts vor
Prof. Dr. Klaudia Schultheis stellt die Struktur des SmartStart-Projekts vor

Nicht nur das Thema des SmartStart-Projekts ist innovativ, sondern auch der Zuschnitt der Zielgruppe: Studierende und erfahrene Lehrkräfte sind gleichermaßen angesprochen – und das in sieben europäischen Nationen: Deutschland, Norwegen, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei und Spanien. Wie wertvoll internationale Kooperationen im Bereich der Lehrkräftebildung sind, weiß Klaudia Schultheis aus langjähriger Erfahrung. Bereits vor zwanzig Jahren initiierte sie an der KU das „International Project“ (IPC), eine Kooperation von Lehramtsstudierenden aus Europa, den USA und Japan. Mit der European Teacher Academy will Schultheis auf diesem Netzwerk aufbauen, langfristige Strukturen schaffen und „voneinander und miteinander lernen“. Die Laufzeit des Projekts beträgt zwar nur drei Jahre, die Ausschreibung der EU sieht aber die feste Implementierung des Programms an den beteiligten Universitäten vor. „Dass wir das internationale Arbeiten institutionalisieren, ist immer mein Ziel gewesen und mit der Teacher Academy kommen wir dem einen großen Schritt näher“, freut sich die Professorin.

Von Anfang an in die Idee eines internationalen Fortbildungsprogramms involviert war zudem Prof. Dr. Heiner Böttger, Professor für Didaktik der englischen Sprache und Literatur an der KU. Er brachte einen besonderen Clou in das Konzept ein: Zur Überwindung von Sprachbarrieren wird ein eigenes KI-basiertes Übersetzungstool entwickelt. „Im Idealfall kann das Tool helfen, um Kinder, die ohne ausreichende Sprachkenntnisse in die Grundschule kommen, zu integrieren“, sagt Klaudia Schultheis. Genutzt werden soll das Tool aber auch im Projekt selbst, um den fachliche Austausch zwischen Experten mit unterschiedlichen Muttersprachen zu erleichtern. „Wir werden KI nutzen, um über die Nutzung von KI in der Grundschule zu reden“, sagt Böttger. Der Englischdidaktiker befasst sich seit Jahren intensiv mit Fragen der Mehrsprachigkeit. Unter anderem widmete er sich dem Phänomen der language anxiety, also dem unguten Gefühl, nicht das ausdrücken zu können, was man eigentlich sagen möchte. Häufig ist dies verbunden mit dem Einsatz von Englisch als Vermittlungssprache. „Jeder sollte in seiner Muttersprache Ideen artikulieren können, sonst gehen diese  Ideen potenziell verloren“, erklärt Prof. Dr. Heiner Böttger. Gerade für ein europäisches Verbundprojekt sei es zentral, sich „demokratisch auf gleichem Niveau austauschen zu können“. Künstliche Intelligenz biete mittlerweile schnelle und leicht nutzbare Möglichkeiten, diesen Anspruch einzulösen.

„Bringt Lehrkräfteausbildung in Eichstätt nochmal auf ganz neues Niveau“
Projektteam und Unterstützer: Dr. Wolfgang Thiel (Leiter des ZFF), Prof. Dr. Klaudia Schultheis, Prof. Dr. Heiner Böttger, Jun.-Prof. Dr. Barbara Lenzgeiger, Dr. Anna Marcos (Leiterin des IO), Vizepräsident für Studium und Lehre Prof. Dr. Klaus Meier sowie KU-Präsidentin Prof. Dr. Gabriele Gien (von links)
Projektteam und Unterstützer: Dr. Wolfgang Thiel (Leiter des ZFF), Prof. Dr. Klaudia Schultheis, Prof. Dr. Heiner Böttger, Jun.-Prof. Dr. Barbara Lenzgeiger, Dr. Anna Marcos (Leiterin des IO), Vizepräsident für Studium und Lehre Prof. Dr. Klaus Meier sowie KU-Präsidentin Prof. Dr. Gabriele Gien (von links)

Parallel zur Entwicklung des Übersetzungstools wird in der ersten Projektphase die inhaltliche Grundlage des Programms geschaffen. Anknüpfend an wissenschaftliche Literaturrecherche diskutiert ein internationales Expertengremium die Herausforderungen, Möglichkeiten und Fragen im Kontext des Einsatzes von KI in der Grundschule. Auf dieser Basis werden Programminhalte erstellt und in eine ansprechende Form, beispielsweise Lernvideos, gebracht. Das Fortbildungsprogramm selbst besteht dann aus zwei Phasen. In der ersten Phase werden den internationalen Teilnehmenden in einem Online-Kurs grundlegende Kenntnisse über die technologischen, pädagogischen und didaktischen Aspekte von KI in der Grundschule vermittelt. In der zweiten Phase können die Teilnehmenden das Gelernte im Unterricht ausprobieren. Jede Universität wird eine Partnerschule haben, für deren Lehrkräfte das Fortbildungsprogramm zweimal pro Jahr angeboten wird. Die wissenschaftliche Arbeit setzt sich auch in dieser Phase fort, erklärt Barbara Lenzgeiger: „Wir evaluieren unser Aus- und Weiterbildungsprogramm mit verschiedenen Methoden und entwickeln es durch begleitende Forschung kontinuierlich weiter.“ Am Ende soll „SmartStart“ nicht nur an den beteiligten Institutionen verfügbar sein, sondern ebenso online über die Plattform „eTwinning“ als Fortbildung für alle interessierten Lehrkräfte in Europa bereitstehen.

Die Einrichtung Europäischer Lehrerakademien im Rahmen des Programms Erasmus+ ist eine Initiative der Europäischen Union, um die europäische Lehrkräfteausbildung zu verbessern. Insgesamt bestehen aus früheren Ausschreibungsrunden bereits 27 „Erasmus+ Teacher Academies“ entstehen. In Eichstätt wird der offizielle Startschuss wahrscheinlich Anfang April 2025 fallen. „Das wird viel Teamwork erfordern, es gibt viel zu tun – aber wir sind sehr glücklich“, sagt Prof. Dr. Heiner Böttger. „Das bringt die Lehrkräfteausbildung in Eichstätt nochmal auf ein ganz neues Niveau, von dem wir alle profitieren“.