Kultur als permanenter Prozess: Nachwuchswissenschaftler forschten zu Migration und Identität

Die mit den globalen Migrationsbewegungen verbundenen kulturellen Transformationsprozesse in gesellschaftlichen, politischen, wie auch in individuellen Zusammengängen standen im Mittelpunkt des Graduiertenkollegs „Migration im Kontext von Religionen und Kulturen im Rahmen der Globalisierung“ an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU). Nachwuchswissenschaftler der KU gingen dabei sowohl mit historischen wie empirischen Untersuchungen grundlegenden Fragestellungen in unterschiedlichen Regionen und Zeiträumen nach. Das Kolleg veranstaltete im November 2013 eine Abschlusskonferenz, dessen im Springer VS-Verlag erschienene Dokumentation nun vorgestellt wurde. Die Sprecherinnen des Kollegs, die Sprachwissenschaftlerin Privatdozentin Dr. Kerstin Kazzazi und Prof. Dr. Angela Treiber (Professur für Volkskunde/Europäische Ethnologie) hatten für einen Gastvortrag Dr. Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat gewinnen können.

Wie Treiber in ihrer Einführung betonte, sei das Zusammentreffen von Menschen mit verschiedenen sozialen, kulturellen und weltanschaulich-religiösen Prägungen mittlerweile nicht mehr die Ausnahme. Vielmehr sei nicht nur durch Migration und Flucht, sondern auch durch Mobilität die Pluralität von Lebensweisen an vielen Orten zum Normalfall geworden. Für die Arbeit des Graduiertenkollegs sei das Paradigma der Transkulturalität als übergreifender Ansatz gewählt worden. Damit wurde der wandelnde Prozesscharakter von Kulturen und die „Dynamik des permanenten Aushandels von Inhalten und Dingen und deren Bedeutungen“ fassbar. „Im historischen Verlauf kann Transkulturalität als beständig neu entstehender Übergang in kulturelle Dynamiken interpretiert werden“, so Treiber. Religion habe in populären und populistischen Debatten zum Thema Migration an Bedeutung gewonnen. So werde sie u.a. auch als ideologisierende, ethnisierende Zu- und Festschreibung in sozialen Prozessen gebraucht. Kultur und Religion würden – sowohl aktuell als auch in der historischen Rückschau – häufig miteinander verschränkt und pauschal zu Elementen der Identität stilisiert bzw. zu kollektiven Persönlichkeitselementen (wie z.B. die „islamische Kultur gegen westliche Identität“  bzw. muslimische Migranten gegen abendländische Kultur“).

Die Mehrzahl der im Band versammelten Studien setzt beim Alltag der Menschen mit Migrationserfahrungen an, also bei Lebenswelten und Erfahrungsräumen.

Als ein „Beispiel für hervorragendes und gelungenes Engagement für Flüchtlinge“ charakterisierte Dr. Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat die Stadt Eichstätt in seinem Gastvortrag zur Buchvorstellung. „Zentrale Frage der kommenden Zeit wird es sein, wie man es schafft, dass Flüchtlinge zum ,Wir‘ gehören und an der Gesellschaft teilhaben können“, so Dünnwald. Derzeit bestehe ein Hauptteil der Arbeit mit Flüchtlingen noch in logistischen Aufgaben. Integration bestehe jedoch nicht nur in der Schaffung von Wohnraum und Arbeit, sondern auch in der Arbeit an einem Wertesystem und vielen Aushandlungs- und Transformationsprozessen. Damit verbunden sei auch eine absehbare und für Dünnwald sogar notwendige Frustration. Denn wo Frustration entstehe, sei man gezwungen eigene Annahmen zu überdenken – der erste Schritt zur Transkulturalität. Neben Ehrenamtlichen, Behörden und Politik leiste dazu auch Wissenschaft einen wichtigen Beitrag.

Kerstin Kazzazi/Angela Treiber/Tim Wätzold (Hrsg.): Migration – Religion – Identität. Aspekte transkultureller Prozesse. Berlin 2015 (Springer VS-Verlag, 34,99 Euro.