Langfristige Linien in kurzfristigen Zeiten für Coaching und Supervision

Wie können Coaching und Supervision für Firmen und Privatpersonen gelingen, wenn eine Beratung immer schneller auf Unsicherheit und Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft reagieren muss? Dieser Frage ging unter dem Titel „Supervision and Coaching in a VUCA world“ eine Fachtagung an der KU nach. Die Abkürzung VUCA steht für die englischen Begriffe von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Veranstalter waren der Lehrstuhl für Sozialpädagogik der KU, die European Association for Supervision and Coaching (EASC), die Professur für Psychologische Diagnostik und Interventionspsychologie an der KU sowie die Warschauer Kardinal Stefan Wyszynski Universität. Die mehr als 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus Deutschland, Spanien, Tschechien, Polen, Ungarn, Slowenien, England, Österreich und der Schweiz an die KU.

„Beratung für Institutionen, Familien oder Einzelpersonen knüpft an Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nach Orientierung und Zufriedenheit an. Wir alle sind lernbedürftig und lernfähig. Es ist daher wichtig, für den Bereich des Coachings eine europäische Dimension in der Beratungsforschung und Praxis zu erreichen“, erklärte Gastgeber Prof. Dr. Dr. Janusz Surzykiewicz vom Lehrstuhl für Sozialpädagogik der KU, der unter anderem mit polnischen Partnern zur Persönlichkeitsbildung von Sozialarbeitern und Seelsorgern sowie innovativen Lehr- und Lernverfahren in der Vermittlung von Beratungskompetenz forscht. Beratung sei ein hohes Gut, weil sie eine Teilhabe am Leben fördere. Insofern sei es Ziel der Konferenz gewesen, über zahlreiche Workshops und Plenumsveranstaltungen nicht nur methodische Aspekte zu beleuchten, sondern auch die Ethik von Beratungskonzepten. Damit wolle man Grundlagen schaffen für ein wissenschaftlich begründetes und fachlich präzise ausgerichtetes Modell von Coaching und Supervision.

Die europäische Dimension des Themas betonte auch die EASC-Vorsitzende Simone Rieger: „Wir brauchen Vernetzung in einer VUCA-World. Die europäische Ideenvielfallt und Diversität ermöglicht interessante Perspektiven und Gelegenheit zur Weiterentwicklung.“ Deshalb bot die Veranstaltung neben dem offiziellen Programm auch viel Gelegenheit zum informellen Austausch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

KU-Vizepräsident Prof. Dr. Klaus Stüwe betonte in seinem Grußwort, dass auch Universitäten mit Mehrdeutigkeit und Unbeständigkeit konfrontiert seien, die sich in Forschung und Lehre widerspiegeln müssten. „Aspekte von Führung und Strategie werden in immer kürzeren Abständen hinterfragt, Glaubenssätze und Paradigmen kommen auf den Prüfstand. Gleichzeitig stehen Institutionen, Firmen, aber auch Privatpersonen dennoch vor der Herausforderung, langfristige Linien zu entwickeln, die über den Tag hinaus Gültigkeit haben und Orientierung bieten“, so Stüwe. Deshalb sei es ein Anliegen der Universität, nicht nur Fachwissen, sondern auch interdisziplinäre, vernetzte und internationale Sichtweisen zu vermitteln.

Zum Auftakt des Kongresses thematisierte der Bielefelder Soziologie-Professor und Berater Prof. Dr. Stefan Kühl die wiederkehrenden Diskussionen um ideale Organisationsformen von Firmen und Institutionen. „Letztlich sind diese nur Variationen von Diskussionen um Enthierarchisierung und Entformalisierung, die seit 100 Jahren geführt werden. Ein Minimum an historischen Kenntnissen hilft also, um nicht jeder vermeintlichen Neuigkeit folgen zu müssen“, so Kühl. Jedoch könnten solche Management-Moden Gelegenheit dazu bieten, um die Trägheit einer Organisation zu überwinden. Organisationsformen seien vergleichbar mit Sprichwörtern, von denen oft mehrere Variationen ihre Gültigkeit hätten – wie etwa „Gegensätze ziehen sich an“ und „Gleich und Gleich gesellt sich gern“. Für die jeweilige Organisation gelte es, die gewünschten Prämissen und deren Konsequenzen herauszuarbeiten: „Eine flache Hierarchie beispielsweise schränkt gleichzeitig die Erreichbarkeit eines Managers ein, da viele erwarten, mit ihm unmittelbar auf gleicher Ebene kommunizieren zu können“, erläuterte Kühl. Nicht immer solle man einem antihierarchischen und antibürokratischen Reflex nachgeben. Soziale Beziehungen seien geprägt von Machtkämpfen. Durch eine gewisse Hierarchie, die für Organisationen ab einer bestimmten Größe erforderlich sei, könnten solche Phänomene gelindert werden.