Das repräsentative Schulbarometer will schon frühzeitig Entwicklungen beschreiben. Waren Sie davon überrascht, wie deutlich die Ergebnisse ausfallen? Oder hat sich diese Entwicklung nicht schon länger abgezeichnet?
Die Entwicklungen sind seit langen Jahren absehbar. Und natürlich gab es bereits auch Maßnahmen, um gegenzusteuern, z.B. wurde die Ausbildungskapazität im Lehramtsstudium für Grundschulen schon seit einigen Jahren erhöht, Fortbildungsinitiativen für Digitalisierung wurden für Schule und Universität aufgesetzt und Programme für die Schließung von Lernlücken, die während der Pandemie entstanden sind, ins Leben gerufen. Diese Maßnahmen müssen offensichtlich intensiviert, reflektiert und teilweise ergänzt werden. Die generelle Belastung von Schulleitungen ist z.B. ein immer wieder auftauchendes Thema. Schon lange wird diskutiert, ob sie nicht generell von einer Unterrichtsverpflichtung frei zu stellen sind, weil sie in einer modernen Schulleitung neben Schulentwicklungs- und Personalentwicklungsfunktionen auch zahlreiche Managementaufgaben übernehmen müssen. Vielfach werden Schulleitungsstellen wiederholt ausgeschrieben, weil diese Mehrfachbelastung unattraktiv ist. Das deutsche Schulbarometer schlägt hier Schulverwaltungsassistenzen vor, das könnte eine mögliche Entlastung bringen. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass der Personalmangel und das damit verbundene Management von Ausfällen in der Unterrichtsversorgung zusätzlich als belastend erlebt wird.
Die digitale Schulentwicklung fordert zusätzlich viel. Auch wenn staatliche Gelder zur Verfügung gestellt werden, müssen hierfür Konzepte und Implementierungsstrategien schulbezogen entwickelt werden. Außerdem muss auch die jeweilige Infrastruktur vorliegen, um die Digitalisierung mit dem Ziel guten Unterrichts sinnvoll einzusetzen. Im Bereich der Digitalisierung scheint vor allem auch das Thema Bildungs(un)gerechtigkeit auf, vor allem bei Kindern aus sozial schwachen Familienhintergrund.
Die befragten Schulleitungen nennen mit großer Mehrheit den Personalmangel als drängendstes Problem im Schulsystem. Dabei scheint gerade der Bedarf an Lehrkräften ein Aspekt zu sein, der sich etwa anhand der Geburtenzahlen mit ausreichend Vorlauf ablesen lässt. Was ist der Hintergrund für den artikulierten Mangel an Lehrerinnen und Lehrern? Die Anzahl verfügbarer Stellen, rückläufiges Interesse an diesem Berufsfeld oder nicht vorhersehbare Aspekte wie Zuwanderung durch den Krieg in der Ukraine?
Ein Grund ist sicher der effektive Einstellungsstopp, der in bestimmten Lehramtsfächern in den vergangenen Jahren viele davon abgebracht hat, Lehramt zu studieren. Das hinterlässt Spuren im Denken von Eltern, AbiturientInnen und LehrerInnen. Das gesellschaftliche Image des Lehramtsstudiums und Lehrerberufes trägt auch dazu bei: Schon SchülerInnen werden damit konfrontiert, der Fokus liegt auf Missständen im System. Den Beruf des Lehrers bzw. das Image wieder positiver zu besetzen muss sicher auch eine gemeinsame Aufgabe von Politik und Gesellschaft sein. Hervorgehoben werden müssen positive Beispiele, der unermüdliche Einsatz vieler Lehrerinnen und Lehrer im Schulalltag, das Bemühen um lebenslanges Lernen und andauernde Professionalisierung. Es sollten nicht ständig Einzelfälle negativer Art diskutiert werden.
Aber auch Ausbildungswege haben sich verändert. Das heißt, auch, wenn man sich einmal entschieden hat, Lehramt zu studieren, gibt es noch weitere Entscheidungsmöglichkeiten. Das heißt, wenn Studierende im Studium Schule als negativ erleben, werden sie sich noch umentscheiden. Früher hat man Lehramt studiert und wurde Lehrer. Mit den Bachelor- und Masterstudiengängen, die mittlerweile nicht nur an der KU, sondern auch an anderen bayerischen Universitäten und darüber hinaus parallel studiert werden können, haben die Studierenden von Anfang an verschiedene Abschluss- und Berufsmöglichkeiten, das mag ein weiterer Grund sein.