„Loyalität lässt sich nicht durch arbeitsrechtliche Vorgaben erzwingen“

Vor dem Hintergrund der jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichtes zum besonderen Charakter von Dienstverhältnissen mit kirchlichen Arbeitgebern haben bei einer bundesweiten Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht an der KU vor allem die Loyalitätserwartungen für den Dienst in der Kirche eine wesentliche Rolle in den Fachbeiträgen und Diskussionen gespielt. Organisatorin Prof. Dr. Renate Oxenknecht-Witzsch (Fakultät für Soziale Arbeit an der KU), die die Veranstaltung zum 22. Mal gemeinsam mit der Zeitschrift „Die Mitarbeitervertretung“ ausrichtete, erinnerte zum Auftakt am Montag daran, dass das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen als Grundlage für den Sonderweg im Arbeitsrecht der Kirchen vor 100 Jahren in der Weimarer Reichsverfassung verankert und vor 70 Jahren in das Grundgesetz übernommen wurde. „Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ist jedoch in Gefahr, wenn etwa die Dienste von Caritas und Diakonie in einer von Wettbewerb und Finanzdienstleistern geprägten Gesundheits- und Sozialwirtschaft agieren müssen und sich kaum noch von anderen Dienstleistern unterscheiden“, warnte Oxenknecht-Witzsch. Traditionell ist die Fachtagung, die bis Dienstag wieder über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchten, ein Dialogforum zwischen Arbeitnehmern und Dienstgebern von katholischer und evangelischer Seite.

Als Diözesancaritasdirektorin des Erzbistums Berlin ging Prof. Dr. Ulrike Kostka auf das Verhältnis von kirchlichem Dienst und Loyalitätserwartungen ein: „Wir bewegen uns in Berlin in einem säkular geprägten Feld, so dass lediglich 50 Prozent unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Christen sind. Ein Taufschein stellt aber nicht die christliche Prägung sicher. Gott kennt keinen Menschen-TÜV und zeigt sich in jedem Menschen, auch wenn er nicht einer Konfession angehört.“ Loyalität lasse sich nicht durch arbeitsrechtliche Vorgaben erzwingen, sondern entstehe durch Prägung und Bindung. Gerade die nicht-christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fragten nach der Identität ihrer Einrichtung, seien neugierig und herausfordernd. Viele ungetaufte Angestellte aus der früheren DDR seien begeisterte Teilnehmer von betrieblichen Exerzitien. „Bei den Anforderungen an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer muss auf die Lebenswirklichkeit geachtet werden. In diesem Sinne wünsche ich mir eine Kirche, die durch ein offenes Klima einladend ist und auch ihrerseits Loyalitätserwartungen der Beschäftigten erfüllt“, so Kostka.

Auch Dr. Wolfgang Teske, Vorstand der Diakonie Mitteldeutschland, betonte, dass die Konfessionszugehörigkeit nicht einzig entscheidendes Kriterium für die Gestaltung eines kirchlichen Profils von sozialen Diensten sei. Die Ausgestaltung der diakonischen und caritativen Identität in den sozialen Unternehmen sei nicht allein in der Verantwortung von Geschäftsführungen, Vorständen und Aufsichtsgremien, sondern von allen Mitarbeitenden. Daher gelte es, die Beschäftigten in religiösen Angelegenheiten sprachfähig zu machen.

Als Vorsitzende des 6. Senats des Bundesarbeitsgerichtes gab Richterin Karin Spelge aus juristischer Perspektive Einblick in die unterschiedlichen Sichtweisen von Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof bezogen auf die Deutung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Nach mehreren Vorinstanzen und dem Bundesverfassungsgericht kam im vergangenen Jahr der Fall eines Chefarztes vor den EuGH, dem von einem katholischen Krankenhaus nach Scheidung und Wiederheirat gekündigt worden war. Nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes sind durch staatliche Gerichte die Maßstäbe für arbeitsrechtliche Maßnahmen kirchlicher Arbeitgeber lediglich auf ihre Plausibilität hin zu prüfen. Dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen werde dabei ein besonderes Gewicht beigemessen. Der Europäische Gerichtshof hingegen verlangt von kirchlichen Arbeitgebern eine Begründung dafür, warum Loyalitätspflichten für eine konkrete Tätigkeit von Bedeutung sind. Spelge plädierte dafür, dass Kirchen ihr Arbeitsrechts konsequent anwendeten und nicht davon in einzelnen Einrichtungen abwichen, um etwa niedrigere Löhne zahlen zu können: „Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht droht sonst zu implodieren.“