Mehr als nur eine technische Frage: Stromspeicher als zentraler Baustein der Energiewende

Wer auf dem eigenen Dach eine Photovoltaikanlage hat, kann seinen selbst erzeugten Solarstrom mittlerweile auch nachts nutzen, sofern er einen Batteriespeicher besitzt. Dezentrale Stromspeicher erfreuen sich zunehmender Beliebtheit und gelten als wichtiger Baustein der Energiewende. Doch wie verändert diese Innovation unser Energiesystem langfristig – und wer gestaltet diesen Wandel? Mit diesen Fragen hat sich ein Forschungsprojekt an der KU unter der Leitung von Prof. Dr. Hans-Martin Zademach, Inhaber der Professur für Wirtschaftsgeographie, beschäftigt

Ausgangspunkt des DFG-geförderten Projekts war die rasante Entwicklung des Marktes für dezentrale Stromspeicher. Diese Systeme ermöglichen es, Solarstrom zwischenzuspeichern und diesen zeitversetzt zu verbrauchen. So lässt sich der eigene Strom vom Dach noch effektiver nutzen und es muss weniger aus dem öffentlichen Netz dazugekauft werden. Zunehmend entstehen auch digitale Energiegemeinschaften, vernetzt über Plattformen. Experten schätzen, dass bis zu 80 Prozent des privaten Strombedarfs durch private Photovoltaikanlagen und Batteriespeicher gedeckt werden könnten – das wäre ein maßgeblicher Baustein für die Energiewende. 

Hans-Martin Zademach und Andrea Käsbohrer
Hans-Martin Zademach und Andrea Käsbohrer

„Damit das funktioniert, reichen technische Neuerungen allein aber nicht aus“, betont Prof. Dr. Hans-Martin Zademach. „Die große Frage ist: Wie gelingt es, solche technischen Innovationen in Gesellschaft und Wirtschaft einzubetten, so dass sie tatsächlich zur nötigen gesellschaftlichen Transformation zur Nachhaltigkeit beitragen? Genau da setzt unsere Forschung an.“ Ab 2020 untersuchte der Wirtschaftsgeograph mit seiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Andrea Käsbohrer „organisatorische und technologische Neuerungen im Markt für Stromspeicher“. Ursprünglich zielte das Projekt auf die Innovationsentwicklung in diesem Markt. Während der empirischen Untersuchung zeigte sich jedoch, dass der eigentliche Hemmschuh der regulatorische Rahmen ist. Entsprechend konzentrierte sich das Team auf eine institutionelle Perspektive. „Wir wollten ein tieferes Verständnis dafür entwickeln, wie Innovation in der Gesellschaft verankert wird“, so Zademach.

Um Machtverhältnisse und Dynamiken zu erfassen, bediente sich das Projekt eines Mixed-Methods-Ansatzes. Neben Experteninterviews mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft nutzte das Team die ethnografische Methode der teilnehmenden Beobachtung. Bei über 40 Sitzungen des zentralen Branchenverbands konnten die Forschenden miterleben, wie Entscheidungsprozesse tatsächlich ablaufen. „Das war ein Glücksfall, denn durch Corona konnten wir unkompliziert digital an vielen Treffen teilnehmen“, berichtet Zademach. „So konnten wir institutionelles Agieren in Echtzeit beobachten.“

Deutlich wurde in der Studie, dass große Konzerne aus der Energie- und Automobilwirtschaft sich zunehmend Marktanteile sichern und Einfluss gewinnen, etwa indem sie Stromspeicher zusammen mit E-Autos vermarkten. Kleine, innovative Unternehmen hätten dagegen häufig das Nachsehen. „Teils werden solche Unternehmen durch klassische Akteure wie Mineralölkonzerne in den Markt integriert, womit diese sich einen grünen Anstrich geben wollen“, sagt Projektleiter Zademach. Hinter diesen Entwicklungen stünden die sehr unterschiedlichen Möglichkeiten der einzelnen Akteure, politische Entscheider auf deutscher und europäischer Ebene zu beeinflussen. „Wir konnten zeigen, wie stark Lobbystrukturen den Wandel beeinflussen“, erklärt Zademach. 

Für die aktuelle Ausgabe der international renommierten Zeitschrift „Energy Policy“ beleuchten Andrea Käsbohrer und Hans-Martin Zademach mit ihrer Kollegin Karoline Rogge vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung zudem die staatliche Regulierungsfähigkeit in der Energiewende anhand des Beispiels der Verbreitung von Stromspeichern. Während sie unter Kanzlerin Angela Merkel kritische Zurückhaltung konstatieren, beschreiben sie die Ampel-Koalition ab Ende 2021 als proaktiv gestaltend und fördernd. „Der politische Wille von Teilen der Regierungskoalition führte zu mehr regulatorischem Wandel“, sagt Käsbohrer und verweist auf neue Stellen, Strukturen und Kooperationen. Konkret sei die Eigenversorgung erleichtert worden, die EEG-Umlage weggefallen und Messanforderungen vereinfacht worden. 

Diese „regulatorische Beschleunigung“ sei zu begrüßen, unterstreicht KU-Professor Zademach: „Alle sind sich einig, dass wir die Energiewende brauchen. Die entscheidende Frage ist: Wie schaffen wir es, sie endlich schneller voranzubringen?“ Das DFG-Projekt zeigt auf: Es braucht in den Behörden ausreichend analytische Fähigkeiten und Ressourcen, vor allem aber politischen Willen zu einer proaktiven Rolle. Andrea Käsbohrer, die seit April an der Universität Kopenhagen als Postdoc tätig ist, befasst sich auch dort weiterhin mit „Sustainability Transition“, der Frage also, wie struktureller Wandel in Richtung Nachhaltigkeit gesellschaftlich organisiert wird. Sie unterstreicht, dass über Fragen der Regulierung hinaus ein grundlegendes Umdenken nötig ist:  „Grüner Strom ist wichtig. Aber wir sollten uns auch fragen, wie wir langfristig mit weniger Energie auskommen können.“