Menschenhandel bekämpfen: Experte der KU an EU-Projekt beteiligt

Wie kann man Opfern von Menschenhandel helfen? Simon Kolbe, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsverbund Inklusion der KU, befasst sich mit dieser Frage im Rahmen eines EU-Projekts, das die Integration nigerianischer und chinesischer Betroffener des Menschenhandels verbessern will. Der Sozialpädagoge ist Teil eines transnationalen, fünfköpfigen Teams von Forschern. Am Montag und Dienstag fiel im Bundestag der Startschuss für das mit 415.000 Euro dotierte Projekt.

Koordiniert wird das Projekt „Intersektioneller Ansatz zum Integrationsprozess in Europa für Betroffene des Menschenhandels“, kurz INTAP, vom Bündnis „Gemeinsam gegen Menschenhandel“. An Planung und Durchführung sind zudem deutsche, österreichische und italienische Nichtregierungsorganisationen mit langjähriger Erfahrung im Bereich Integration beteiligt: „Solwodi Deutschland“, „The Justice Project“, „Herzwerk Wien“ und „Associazione Comunità Papa Giovanni XXIII“. Als Schirmherr fungiert der Bundestagsabgeordnete Frank Heinrich (CDU), auf dessen Einladung Simon Kolbe das Projekt als Experte unterstützt.

Kolbe befasst sich als Mitarbeiter im Verbundprojekt Inklusion wissenschaftlich sowie als Flüchtlings- und Integrationsberater der Caritas Eichstätt praktisch unter anderem mit der Frage, wie von Zwangsprostitution betroffenen Frauen geholfen werden kann und welche Rolle Religion und Spiritualität dabei spielen. „Neben psychischer und physischer Gewalt nutzen Menschenhändler häufig Voodoo-Flüche, um nigerianische Frauen zu kontrollieren“, erklärt Kolbe. „Unser Ziel ist es, das System dahinter zu verstehen, und zu erarbeiten, wie wir die Frauen abholen und ihnen Hilfe bieten können.“

In der Asylberatung hat Kolbe immer wieder mit sexuell ausgebeuteten Frauen aus Nigeria zu tun: „Was diese Frauen erleben, bis sie überhaupt in Deutschland ankommen, ist unvorstellbar. Dennoch können sie nicht sicher sein, hier Asyl gewährt zu bekommen.“ Ihre Geschichten werden nicht zuletzt angezweifelt, da die große Relevanz des spirituellen Druckmittels Voodoo für die Behörden schwer nachvollziehbar sei. „Durch unsere Forschung können wir versuchen, Verständnis zu schaffen, und so die Glaubwürdigkeit der Frauen stärken“, hofft Kolbe. Dies sei auch ein erster wichtiger Schritt, um die betroffenen Frauen langfristig zu integrieren und ihnen echte gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Beruflich sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis verwurzelt, ist es Kolbe wichtig, im Projekt „INTAP“ beide Aspekte zu verbinden: „Mein Ziel ist es, zu forschen, um Erkenntnisse nicht nur für Wissenschaftler, sondern auch für Anwender zu erhalten.“ Um optimal helfen zu können, bräuchten Berater wissenschaftlich fundierte Daten und Erkenntnisse über die Funktionsweise des Systems Menschenhandel und die Bedürfnisse der Betroffenen. Soziale Arbeit und Sozialpädagogik sieht Kolbe dabei in einer Schlüsselrolle: „Sie bilden die Schnittstelle zwischen Praxis und Forschung.“

Im Rahmen des INTAP-Projekts will Kolbe diesen Anspruch durch qualitative Interviews mit Opfern von Menschenhandel erfüllen. Eine besondere Schwierigkeit stellt dabei der Zugang zu den verängstigten und massiv unter Druck stehenden Frauen dar. Durch seine Arbeit als Asylberater und ein Kooperationsprojekt zur Traumaforschung mit dem Lehrstuhl für Klinische Psychologie der KU konnte Kolbe jedoch bereits einige Frauen akquirieren. Insgesamt plant das Forschungsteam 40 Betroffene sowie 20 Experten zu befragen. Beim Auftakttreffen in dieser Woche wurde bereits an den Leitfäden gearbeitet, ab April sollen die ersten Einzelinterviews stattfinden. Geplant sind in den kommenden zwei Jahren zudem weitere Meetings, Publikationen und Konferenzen, um die Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.