Die Zukunft des Reisens neu denken

Die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen stellt ihren jährlichen Welttourismustag heuer unter das Motto „Re-Thinking Tourism“. „All die aktuellen Krisen lassen nicht nur die Verantwortlichen für Tourismusentwicklung sehr deutlich erkennen, dass die Entwicklungen der letzten Jahre nicht immer die richtigen waren, und dass ein Nachdenken mehr denn je angesagt ist“, betont Prof. Dr. Harald Pechlaner als Inhaber des Lehrstuhls Tourismus an der KU.

Die Vielzahl der aktuellen Krisen, wie Klima-, Wirtschafts- oder Demographiekrise, verringere die Stabilität von Liefer- und Mobilitätsketten, und lasse das Reisen – egal ob mit Bahn, Flieger oder PKW – derzeit zu einem schwer planbaren Unterfangen werden. Die Gesundheitskrise der Covid-Pandemie habe dies massiv verstärkt, und die politische Krise rund um die kriegerischen Ereignisse in der Ukraine befeuern neue Krisen, wie ganz aktuell die für uns alle einschneidende Energiekrise. „Die Lebenszeit moderner Gesellschaften teilt sich in Arbeits- und Freizeit, womit der Tourismus in all den Jahren eine zentrale Bedeutung gewonnen hat. Die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat das große Ziel von Freizeit, nämlich die Erholung, durch eine Vielzahl von Freizeit- und Urlaubserlebnissen verdrängt, bis hin zu Urlaubsexzessen, wie Sauf- oder Sextourismus. Massentourismus wird zunehmend kritisch gesehen“, so Pechlaner.

Exkursion auf dem Camino de Santiago
Exkursion auf dem Camino de Santiago

Vor diesem Hintergrund hat sich der Lehrstuhl im September mit Studierenden des Tourismus-Masterprogrammes im wahrsten Sinne des Wortes „auf den Weg gemacht“, und entlang des „Camino de Santiago“ in Nordspanien eine Studie durchgeführt, um zu verstehen, warum insbesondere junge Menschen lange und beschwerliche Wegstrecken auf sich nehmen und auf die gewohnten Annehmlichkeiten des Urlaubs verzichten. Pechlaner schildert: „Der Weg wird damit wichtiger als das Ziel selbst, es geht vielen im Moment eher um das Nachdenken über die weitere Entwicklung als um die Ziele, die es zu erreichen oder Wünsche, die es zu erfüllen gilt. Die vielen Krisen sind ein guter Anlass für ein Nachdenken und Weichen stellen, Themen wie Nachhaltigkeit und Resilienz haben Hochkonjunktur, und lassen erahnen, dass die jungen Pilger von heute als Ergebnis dieses Nachdenkprozesses die Weichen neu stellen wollen und dafür auch einstehen." Viele junge Menschen würden die Krisen zum Anlass nehmen, um dieses Nachdenken „auf den Weg zu bringen“. Der „Camino de Santiago“ stehe somit als Symbol für ein Nachdenken und den Beginn von großen Veränderungen, die den Tourismus und praktisch alle anderen Lebensbereiche verändern werden. Das Reiseverhalten im letzten und in diesem Jahr habe gezeigt, dass die Menschen kurzfristig wieder so reisen wollten wie seit eh und je, zugleich aber entwickelt sich ein neues Bewusstsein und eine neue Verantwortung, wohin und wie wir zukünftig reisen wollen. „Tourismus und Reisen wird es immer geben, aber so wie sich die Welt derzeit verändert, wird dies das Reisen auch“, resümiert Pechlaner.

Mit ihrem Welttourismustag erinnert die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen jährlich am 27. September daran, dass der Wirtschafts- und Gesellschaftsfaktor Tourismus in seinen verschiedensten Ausprägungen einen hohen Stellenwert in der weltweiten Nachhaltigkeitsdiskussion einnimmt.