Nachhaltige Produkte mehr als nur eine „Ethik-Spielwiese“

Wie sich verborgenes Potenzial an Ideen für einen nachhaltigen Lebensstil gezielt erschließen lässt, untersuchten 14 führende europäische Forschungseinrichtungen im Rahmen des von der Europäischen Union geförderten Projektes „Sustainable Lifestyles 2.0: End User Integration, Innovation and Entre-preneurship (EU-InnovatE)“. Als Teil des Vorhabens, das von der TU München geleitet wurde, untersuchte Prof. Dr. André Habisch (Professur für Christliche Sozialethik und Gesellschaftspolitik an der Katholischen Universität Eichstätt Ingolstadt), wie sich historisch betrachtet der Lebensstil in Europa verändert hat und welche Rolle Verbraucher bei der Entwicklung nachhaltiger Produkte und Unternehmen spielen können.

Dazu wurden gemeinsam mit weiteren Forschungseinrichtungen europaweit 10.000 Verbraucherinnen und Verbraucher zu ihren Einkaufs- und Konsumgewohnheiten sowie eigenen Ideen für nachhaltige Innovationen befragt. Zudem wurde eine Datenbank mit staatlichen und institutionellen Förderprogrammen in Sachen Nachhaltigkeit zusammengestellt. Die Ergebnisse wurden bei fünf Workshops in London, Kopenhangen, Warschau, Mailand und Ingolstadt mit Nachhaltigkeitsfachleuten aus allen Teilen Europas diskutiert. Im Rahmen des von Habisch koordinierten 1. Arbeitspakets hat die Ingolstädter Forschergruppe einen Überblick über den Status Quo nachhaltiger Lebensstile in Europa erarbeitet.

„Zwar begann das industrielle Zeitalter in Europa im 18. und 19. Jahrhundert. Anfangs spielten aber die Käufer bzw. Nutzer von Produkten noch eine sehr aktive Rolle bei der Erstellung von Lösungen für Ihren Alltag. Sie mussten etwa verschiedene Standardprodukte auf ihre spezifischen Bedürfnisse hin kombinieren und anpassen. Die Fähigkeit zur Reparatur und Optimierung von Produkten (z.B. Fahrrad, Auto, Kleidung, Werkzeug etc.) spielte eine sehr wichtige Rolle“, erklärt Professor Habisch. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg seien Massenmärkte aufgekommen, die den Nutzer auf eine passive Rolle reduzierten. So sei er zunehmend darauf angewiesen, dass ihm Marktakteure und Unternehmen besser auf seine Bedürfnisse abgestimmte Produkte anbieten. Erst im stärker von Informationstechnologie gekennzeichneten 21. Jahrhundert werde die Kreativität von Nutzern tendenziell wieder wichtiger.

Im Nachhaltigkeitssektor spiele zwar der Verbraucher als Ko-Produzent von Innovationen bisher nur eine untergeordnete Rolle. „Für erfolgreiche und nachhaltige Produkteinführungen bedarf es vielmehr der Erfahrung, Marktkompetenz und des strategischen Geschicks von professionellen Unternehmen“, resümiert Habisch. Diese könnten aber Nachhaltigkeitsprodukte nicht mehr nur als ‚Ethik-Spielwiese‘, sondern als strategisches Wachstumsfeld des 21. Jahrhunderts nutzen. Verbraucher könnten diese Prozesse unterstützen, indem sie sich z.B. in entsprechenden Organisationen engagieren, als Mitarbeiter in einem Unternehmen am Zustandekommen nachhaltigerer Lösungen mitwirken oder „diese im öffentlichen und privaten Raum propagieren“.  Ein weiterer Ertrag der Forschungsarbeiten sind umfangreiche Fallbeispielsammlungen, die auch für die Lehre an der KU sowie für innovative Lehrformate genutzt werden.