Neue Netzwerke durch Solarspeicher

Die dezentrale Speicherung von Solarstrom und damit verbundene neue Geschäfts­modelle stehen im Mittel­punkt eines Projektes der Professur für Wirtschafts­geographie (Prof. Dr. Hans-Martin Zademach) an der KU. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Vorhaben über drei Jahre mit rund 200.000 Euro.

„Die wissenschaftliche Forschung zum Themenkomplex Stromspeicher ist aktuell vor allem mit technischen Fragen befasst. Die ko‐evolutionäre Entwicklung technischer und organisatorischer Neuerungen im Markt für Stromspeicher war hingegen noch nicht Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung“, erläutert Professor Zademach. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien sei eine Erhöhung der Speicherkapazität, gerade auch für dezentral erzeugten Strom, ein gewichtiger Baustein der Energiewende in Deutschland. Laut dem Bundesverband Solarwirtschaft e.V. waren im Herbst 2018 bereits 100.000 Solarstromspeicher in Form von Hausbatterien installiert; diese Zahl soll sich bis Ende 2020 verdoppeln. Gleichzeitig sanken die Preise für solche Speichersysteme in den vergangenen Jahren um mehr als die Hälfte.

Zentrale Speicher wie Pumpspeicherkraftwerke könnten derzeit, so Zademach, nur einen Teil der überschüssigen Energiemenge aufnehmen oder seien mit vergleichsweise hohen Kosten verbunden. „Dezentrale Speicherlösungen lassen sich hingegen im privaten und gewerblichen Bereich einfacher erschließen. Sofern diese intelligent miteinander vernetzt sind, können sie innerhalb der sogenannten Regelleistung durch kurzfristiges Bereitstellen von Speicherkapazität einen Beitrag zur Netzstabilität leisten und somit einen weiteren Netzausbau eindämmen.“

Im Marktsegment der privaten Energiespeicher hätten sich neue Geschäftsmodelle etabliert, die das Potenzial haben, den Energiemarkt grundlegend zu transformieren – mit neuartigen translokalen Anbieter-Kunden-Beziehungen und alternativen Vertriebswegen. Beispielsweise biete ein Solarspeicherhersteller eine dezentrale Energiegemeinschaft, in der dezentrale Solarspeicher zu einem großen virtuellen Kraftwerk einschließlich Speicher verbunden werden. Abhängig von Bedarf und Wetterlage könne überschüssig produzierter Strom in die Community eingespeist oder daraus bezogen werden – ohne etablierte Energieunternehmen. Zusätzlich hätten die Anlagenbetreiber ökonomische Vorteile, denn angesichts kontinuierlich sinkender Einspeisevergütungen und steigender Strompreise ist der Eigenverbrauch von Solarstrom wirtschaftlicher als dessen Einspeisung.

Generell bietet der Markt für Stromspeicher eine besondere Gelegenheit, um das Zusammenspiel von technischen und organisatorischen Innovationen genauer zu ergründen. Ein grundlegendes Forschungsinteresse Zademachs besteht deshalb auch in der Frage, inwieweit sich Befürworter neuer Technologien gegenüber etablierten Institutionen und damit verbundenen Interessen als sogenannte institutional entrepreneurs durchsetzen müssen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Zusammenspiel und den Erfolgsfaktoren bei der kollaborativen Entwicklung technischer und organisatorischer Innovationen – verbunden mit institutionellen Rahmenbedingungen und der Finanzierungsseite im Markt für Stromspeicher. „So wollen wir grundlegendes Wissen über die Entstehung und Durchsetzung von Nachhaltigkeitstransitionen erhalten. Uns interessiert die Ko‐Evolution organisatorischer und technischer Neuerungen sowie ihr wechselseitiges Verhältnis zu regionalen Institutionen“, erklärt Zademach. Zudem strebe das Projekt an, unternehmensbezogene und industriepolitische Handlungsempfehlungen abzuleiten und damit zur Bewältigung der übergeordneten Herausforderung Energiewende beizutragen.

Methodisch wird im Vorhaben ein Mixed-Methods-Design Anwendung finden, in dem quantitative, netzwerkanalytische Methoden und qualitative Arbeitsschritte (insbesondere Interviews und teilnehmende Beobachtungen) verzahnt zum Einsatz kommen.