Phänologischer Jahresrückblick 2020: Früher Start der Vegetation im zweitwärmsten Jahr

Das vergangene Jahr war in Eichstätt, wie auch im gesamten Bundesgebiet, mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 10,4°C das zweitwärmste Jahr seit Beginn der offiziellen Messreihen. Die erhöhten Temperaturen haben auch Auswirkungen auf die Pflanzenphänologie, die Prof. Dr. Susanne Jochner-Oette, Inhaberin der Professur für Physische Geographie/Landschaftsökologie und nachhaltige Ökosystementwicklung an der KU, mit ihrem Team seit mehreren Jahren systematisch in Eichstätt untersucht.

Aber was ist „Phänologie“? Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet „die Lehre von den Erscheinungen“. „Die Pflanzenphänologie beschäftigt sich mit Wachstums- und Entwicklungserscheinungen der Pflanzen im Jahresverlauf. Um die Blattentfaltung, die Blüte, Fruchtreife oder den Laubfall objektiv zu beurteilen, wird ein standardisierter Code verwendet, der unter anderem auch in der Landwirtschaft Einsatz findet“, erklärt Professorin Jochner-Oette. Die Mitarbeitenden der Professur, derzeit die studentische Hilfskraft Ulrike Richter, notieren seit 2017 rund alle drei Tage sorgfältig diese Codes. Unter Beobachtung stehen 174 der etwa 230 Bäume und Sträucher des Hofgartens, die nicht nur aus Europa, sondern auch aus Nordamerika und Asien stammen. Weitere Pflanzen werden im Kapuzinergarten oder vor der Universitätsbibliothek untersucht.

Letztes Jahr hat mit dem Blühbeginn der Salweide am 7. Februar die Vegetationsperiode begonnen und mit der Blattverfärbung der Stiel-Eiche am 28. September, 234 Tage später, geendet. Auch, wenn die Salweide den offiziellen Startpunkt der Vegetationsperiode markiert, wird die Blüte der Hasel als Beginn des Vorfrühlings gesehen, welcher im Jahr 2020 am 31. Januar in Eichstätt einsetzte. Eine weitere Leitphase ist die Fruchtreife der Eberesche, die den Spätsommer einläutet. Im vergangenen Jahr wurde dieser am 27. Juni notiert. „Diese beiden phänologischen Jahreszeiten traten dabei mehr als zwei Wochen früher als in 2019 ein“, so Ulrike Richter. Wenn auch nicht so drastisch, gilt dies ebenfalls für alle anderen der zehn phänologischen Jahreszeiten – bis auf den Vollfrühling, den Hochsommer und den Vollherbst. Diese wurden nur maximal eine Woche später als im Vorjahr beobachtet. Das spätere Einsetzen des Hochsommers kann vermutlich auf einen Temperatureinbruch Mitte Mai mit Minimumtemperaturen unter 0°C zurückgeführt werden. Niedrige Niederschlagsmengen während der Vegetationsperiode könnten sich ebenfalls negativ auf die Vegetation auswirken.

Neben der Phänologie ist ein weiterer Forschungsschwerpunkt der Professur die Aerobiologie, die sich unter anderem mit dem Pollenflug beschäftigt. Neben dem Vorfrühling zeigt die Blüte der Hasel auch den Beginn der Allergiesaison an. „Durch den milden Winter im vergangenen Jahr trat die Leidenszeit für Allergiker deutlich früher ein als im vergangenen, aber auch gerade laufenden Winter“, erläutert Ulrike Richter. Die ersten offenen Haselblüten konnten heuer Anfang Februar beobachtet werden. Die Blühdauer, also der Zeitraum, in dem Pollen potenziell freigegeben werden können, war 2020 für alle beobachteten Pflanzen fast immer länger als im Vorjahr.

„Das Ziel ist nun, eine lange Datenreihe der phänologischen Beobachtungen zu generieren, um Veränderungen aufzuzeigen und die Auswirkungen des Klimawandels auf die Vegetation besser abschätzen zu können“, so Professorin Susanne Jochner-Oette. „Da sich die Veränderung der Temperatur stark in der Vegetationsentwicklung bemerkbar machen, stellt die Phänologie darüber hinaus einen ausgezeichneten Bioindikator für den Klimawandel dar.“ Im bundesweiten Vergleich des Deutschen Wetterdiensts haben 2020 alle phänologischen Jahreszeiten entweder am gleichen Tag oder bis zu 20 Tagen früher begonnen als im langjährigen Mittel. Dieser Trend der immer früher eintretenden Wachstumsphasen kann von den Landschaftsökologinnen und -ökologen der KU auch mit einer vergleichbar kurzen Zeitreihe bereits erahnt werden.