Professorin Vanessa Conze neue Inhaberin des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte

Prof. Dr. Vanessa Conze (51) ist neue Inhaberin des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der KU. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören unter anderem die Geschichte der europäischen Integration, die politische Kulturgeschichte, erinnerungskulturelle Fragen, aber auch die Kulturgeschichte des Vergnügens.

„Mich reizt der direkte Gegenwartsbezug, den man in der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts hat. Gleichzeitig ist diese zeitliche Nähe auch eine Herausforderung, die Spannung erzeugt – etwa wieder verstärkt im Hinblick auf Fragen des Kolonialismus“, erklärt die aus Düsseldorf stammende Historikerin. Das Wissen um historische Strukturen und Entwicklungen helfe dabei, heutige Dynamiken und Prozesse besser einzuordnen. Dies gelte zum Beispiel auch für den Krieg in der Ukraine. Speziell die deutsche Gesellschaft sei bis heute geprägt von Fragestellungen, die in die Zeit des Nationalsozialismus zurückreichten. Hier könne die Geschichtswissenschaft einen wichtigen Beitrag in Debatten leisten.

Die Vielfalt an gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Themen, die sich bei der Beschäftigung mit Geschichte eröffnet, ist nach wie vor faszinierend für Professorin Conze. So beschäftigte sie sich unter anderem am Beispiel der Erlebnisgastronomie im Berliner „Haus Vaterland“ aus kulturhistorischer Perspektive mit der Zwischenkriegszeit. In einem fünfstöckigen Gebäude am Potsdamer Platz konnten die Gäste in einem Dutzend Themenrestaurants eine kulinarische Reise absolvieren, die sie von einer spanischen Bodega über ein japanisches Teehaus bis hin zu einer Bar im Wild-West-Stil führte. „Es ist interessant, wie dort während der Weimarer Republik versucht wurde, bestimmte Bilder von Fremde zu imaginieren – verbunden mit einem hochmodernen Betrieb“, schildert Conze.

Für ihre Habilitation untersuchte sie die Entwicklung von politischen Loyalitäten im Deutschland des 19. und 20. Jahrhundert am Beispiel der Vereidigung: „Ein Beamter der 1912 in den Dienst getreten ist, wurde zunächst auf den Kaiser vereidigt, in der Weimarer Republik auf die Verfassung, 1933 auf Volk und Vaterland, 1934 auf Adolf Hitler persönlich, 1945 möglicherweise auf alliierte Kräfte und 1949 schließlich auf das Grundgesetz. Jedes Mal schwor diese Person erneut Treue – ein Begriff, der im Diskurs zu politischer Loyalität eine entscheidende Rolle spielt.“ Der Eid sei weltweit eines der ältesten politischen Rituale, das unabhängig vom politischen System nach wie vor Anwendung finde. Rechts-, ideen- und verfassungsgeschichtlich untersuchte Conze, warum ein Staat diesem Akt überhaupt einen Wert zuschreibt und wo sich Konflikte entwickeln.

Davon ausgehend will die Historikerin weiter zu politischen Loyalitäten im Hinblick auf Fragen der Demokratiegeschichte forschen – auch angesichts der Anfeindungen, denen demokratische Systeme weltweit ausgesetzt sind. Zudem interessiert sie sich für die Geschichte der europäischen Integration sowie rechtsgeschichtliche Aspekte von Kolonialismus. Stark machen möchte sie sich in Eichstätt auch für Public History, weil die öffentliche Bedeutung von Geschichte in den letzten Jahren noch weiter zugenommen hat und Geschichte für die gesellschaftliche Selbstverständigung eine zentrale Rolle spielt.

Professorin Conze studierte im integrierten deutsch-französischen Studiengang der Universitäten Tübingen und Aix-en-Provence Neuere und Neueste Geschichte, Mittelalterliche Geschichte, Neuere deutsche Literatur und Öffentliches Recht. Nach ihrer Promotion an der Universität Tübingen war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereichs „Kriegserfahrungen“ an der Universität Tübingen. Sie habilitierte an der Justus-Liebig-Universität Gießen und war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Konvekta C.H. Schmitt Stiftung. Forschungsaufenthalte führten die Mutter von drei Kindern nach Toronto und Cambridge.