Profisport unter besonderen Bedingungen

Seit kurzem haben die Freibäder in Bayern wieder geöffnet. Und während in den vergangenen Monaten nur Individualsportarten erlaubt waren, läuft nun wieder die Fußball-Bundesliga. Ob man bedenkenlos schwimmen gehen kann, unter welchen Rahmenbedingungen derzeit Profisport läuft und wie auch Schulen einen sportlichen Ausgleich schaffen können - darüber berichtet Dr. Klaus Lutter als Leiter des Sportzentrums der KU im Rahmen des Corona-Forums.

Herr Lutter, seit Anfang dieser Woche haben die Freibäder wieder geöffnet – auch das Inselbad hier in Eichstätt. Eine Leserin fragt, ob man jetzt wieder bedenkenlos schwimmen gehen kann?

Die Badesaison in ganz Bayern wird in diesem Sommer eine andere sein, als wir es gewohnt sind. Die Öffnung der Freibäder erfolgt nicht nur aufgrund von virologischen Erkenntnissen, es handelt sich auch um ein Zugeständnis an die Bevölkerung. Es sollte auch vor Ort möglich sein, den eigenen Urlaub zu gestalten. Die Beachtung der Hygienevorschriften wird aber nicht ganz einfach werden. Der Deutsche Olympische Sportbund gibt für Schwimmbecken ein Einbahn-System vor. Jeweils zwei Bahnen werden zusammengeführt, geschwommen wird im Kreisverkehr, wobei nach vorne und nach hinten drei Meter Abstand eingehalten werden müssen.

Kann das Coronavirus denn im Wasser übertragen werden?

Wir wissen nicht, wie sich das Virus im Wasser verhält. Aufgrund von Erfahrungen mit ähnlichen Virentypen wird in manchen Untersuchungen angenommen, dass Wasser kein Übertragungselement ist. Virologen versuchen, noch offene Fragen mit weiteren Datenerhebungen einzugrenzen. Da endgültige Antworten fehlen, ist die Einhaltung der Hygieneregeln jedoch weiterhin sehr wichtig.

In den vergangenen Monaten waren nur Individualsporten wie Joggen erlaubt. Jetzt wird wieder Fußball gespielt. Kann das funktionieren?

Wir müssen Training und Wettkampf unterscheiden. Das Fußball-Training kann eingeschränkt wieder stattfinden: Pass- und Annahmeübungen oder die Schulung von Laufwegen sind machbar und wichtig. Ein richtiges Fußball-Spiel erfordert aber zusätzliche Hygienevorschriften. Das sind extreme Konditionen, die einen enormen Aufwand an Testverfahren und Quarantänemaßnahmen mit sich bringen. Wie aufwendig die Rahmenbedingungen sein können, sehen wir in der Basketball-Bundesliga: Aktuell sind die Spieler von zehn Bundesliga-Teams gemeinsam in einem Hotel in München einquartiert, wo sie bis Ende Juni in der Arena des Audi Dome die Spiele um die Meisterschaft zu Ende führen. Während dieser Zeit darf niemand die Anlage verlassen. Zuschauer sind ausgeschlossen. Als Auflage kam zuletzt hinzu, dass die Spieler einen elektronischen Chip am Handgelenk tragen müssen. Tritt eine Viruserkrankung auf, kann nachvollzogen werden, wer mit wem in Kontakt war.

In der Fußball-Bundesliga wollten nicht alle Spieler den Spielbetrieb wiederaufnehmen. Der finanzielle Druck in den Vereinen war aber enorm hoch, sodass die Saison fortgesetzt werden musste.

Ja, in einigen Profi-Sportarten sind die Vereine inzwischen extrem abhängig von spezifischen finanziellen Einnahmen. Je nach Sportart ist deren Gewichtung jedoch unterschiedlich. Beim Fußball schlagen die Zuschauereinnahmen nur noch mit rund 15 Prozent zu Buche, während die mediale Verwertung, sprich die TV-Gelder, rund das Doppelte ausmachen. Es ist erschreckend, für Insider aber nicht überraschend, dass etliche Proficlubs aus unterschiedlichen Gründen auf die Schaffung von Liquiditätsreserven verzichtet haben und dementsprechend jetzt vor dem finanziellen Kollaps stehen. Es ist zu hoffen, dass die Corona-Krise dazu beiträgt, gewisse Marktsituationen zu bereinigen. Ob langfristig wirklich eine Korrektur eintritt, erscheint mir jedoch fraglich.

Großereignisse wie die Olympischen Spiele oder die Fußball-Europameisterschaft mussten aufgrund der Pandemie dennoch verschoben werden. Wird die Olympiade in 2021 stattfinden können?

Die Spiele werden aus finanzielle Gründen stattfinden. Der amerikanische Medienkonzern NBC hat alleine für die Übertragungsrechte der kommenden Olympiaden sieben Milliarden US-Dollar an das Internationale Olympische Komitee gezahlt. Das Komitee könnte die Spiele daher nur sehr schwer ausfallen lassen. Auch einer Verschiebung der Spiele, wie sie in diesem Frühjahr diskutiert wurde, hätten die Vertragspartner nicht zugestimmt. Die Sender zahlen sehr viel Geld, um die Werbezeiten vermarkten zu können. Eine Verschiebung in eine andere Jahreszeit hätte aber zu Konflikten mit den großen Sportligen in den USA wie der National Football League (NFL) oder der National Basketball Association (NBA) und deren Saisonverlauf geführt. Die Werbepartner wären dann abgesprungen, wodurch eine Refinanzierung der Kosten in diesem Zeitfenster nicht mehr möglich gewesen wäre.

Ist der Profi-Sport heute in ein globales System eingebunden?

Eindeutig ja! Wir haben es mit einem globalen Wirtschaftssystem im internationalen Spitzensport wie Fußball, Formel 1 oder Olympia zu tun. Natürlich wäre es äußert schade, wenn die Olympischen Spiele ohne Zuschauer stattfinden müssten. Die Atmosphäre ist einzigartig und die Reaktionen des Publikums auf den Tribünen gehören dazu. Letztlich sind die Zuschauer im Stadion aber nur emotionale Staffage, der entscheidende Wirtschaftsindikator ist die Zuschauerquote.

Sportereignisse sind gesellschaftliche Ereignisse. Für viele gehört es dazu, die Fußballbundesliga samstagnachmittags vor dem Radio zu verfolgen. Haben uns solche Rituale in den vergangenen Wochen gefehlt?

Sich auf den Fußball am Wochenende zu freuen, darüber mit Freunden sprechen zu können, stiftet Gemeinschaft. Die Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens haben aber auch soziale Unterschiede deutlicher hervortreten lassen. Wer auf dem Land im Grünen lebt, wer ein Haus und einen Garten hat, der verfügt eher über ausreichend Bewegungsfreiheit. Wer in einem Ein-Zimmer-Apartment in München lebt, dem fehlt diese womöglich. Eine aktuelle Studie zeigt, dass 38 Prozent der befragten Erwachsenen sich in der Corona-Pandemie weniger bewegt haben, 19 Prozent haben an Gewicht zugenommen. Auch das sind gesundheitliche Folgen der Pandemie. Aus der Sportwissenschaft wissen wir zudem, dass sportliche Aktivität mit besserer Bildung, höherem Berufsstatus und höherem Einkommen einhergeht. Wir haben es aber versäumt, in der Phase des Lockdown größere Bevölkerungsschichten weg vom Bildschirm, hin zu mehr Sport zu bewegen.

Können die Schulen gerade für Kinder und Jugendliche hier einen Ausgleich schaffen?

Sie müssen es! In der Sportpädagogik kämpfen wir schon lange dafür, mehr Bewegungsmöglichkeiten in den Schulalltag zu integrieren. Bewegung ist für Kinder und Jugendliche essenziell. Der Schulbetrieb läuft aktuell jedoch ohne den Sportunterricht an. Vor allem Kinder und Jugendliche, die von zu Hause aus wenig gefördert werden, erfahren jetzt keinen Ausgleich. Hier fehlt es an „Bewegungsgerechtigkeit“. Bewegung muss aber auch in der Schule zur Routine werden – wie das Händewaschen.

Das Gespräch führte Thomas Metten. Er ist Mitarbeiter der KU und des Projekts „Mensch in Bewegung“.

 

Dr. Klaus Lutter ist Leiter des Sportzentrums an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Dort leitet er unter anderem das sportwissenschaftliche Diagnoselabor sowie den Hochschulsport der KU. Er selbst ist in der Senioren-Leichtathletik europaweit auch bei Wettkämpfen aktiv.