Sammelunterkünfte und Lager als Instrumente von Asylpolitik

Notunterkunft
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Bislang findet sich im deutschsprachigen Raum nur wenig wissenschaftliche Literatur, die sich mit Lagern und Sammelunterkünften für Geflüchtete als Instrument von Migrationspolitik beschäftigt. Ein Herausgeber-Team des Zentrums Flucht und Migration (ZFM) der KU hat daher nun einen umfassenden Sammelband mit Beiträgen von rund 30 Autorinnen und Autoren veröffentlicht. Erschienen ist die Publikation „Praktiken der (Im-)Mobilisierung. Lager, Sammelunterkünfte und Ankerzentren im Kontext von Asylregimen“ im Bielefelder transcript-Verlag – sowohl in Printform als auch als frei zugänglicher Download.

Dr. Julia Devlin, Dr. Tanja Evers und Dr. Simon Goebel vom ZFM haben dabei ein Thema in den Mittelpunkt gestellt, das nicht nur in der breiten Öffentlichkeit – etwa zuletzt durch den Brand des Lagers Moria – Aufmerksamkeit erfährt, sondern auch in der Forschung. „Die vielen Einreichungen für den Sammelband zeigen uns, dass hierzulande derzeit viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über Lager forschen. In den nächsten Jahren sind also einige deutschsprachige Studien zu erwarten“, heißt es in der Einleitung der Publikation.

Die Motivation, einen Sammelband zu Lagern herauszugeben, sei nicht nur dem Wunsch geschuldet gewesen, den Forschungsstand um eine aktuelle und interdisziplinäre Zusammenschau zu erweitern, sondern folge außerdem forschungspolitischen Anliegen des ZFM, Expertisen zu einem Thema zusammenzustellen, das im wörtlichen Sinne vor unseren Haus- und Bürotüren stattfinde. Devlin, Evers und Goebel erinnern daran, dass bereits 2014, noch vor dem Sommer der Migration, die Aufnahme von geflüchteten Menschen Ausgangspunkt zahlreicher Initiativen in der Kleinstadt Eichstätt war. „So konnten wir mitverfolgen, wie sich die asylpolitische Praxis entwickelt hat: von ad hoc eingerichteten, stark zivilgesellschaftlich mitorganisierten, dezentralen Orten hin zu stärker politisch kontrollierbaren, zentralisierten Einrichtungen, die den Zugang zivilgesellschaftlichen Engagements erschweren. Bayern ist dasjenige Bundesland, das die Weiterentwicklung von Lagern in der Bundesrepublik am stärksten forciert hat“, so die Herausgeber.

Um den Anschluss an Entwicklungen auch in der schwierig zu erreichenden Max-Immelmann-Kaserne in Manching nicht zu verlieren und weiterhin Engagement zu ermöglichen, hat das Zentrum Flucht und Migration in Kooperation mit der Caritas Pfaffenhofen dort eine Projektstelle zum Brückenbau in die Stadtgesellschaft eingerichtet.

Analytisch konzentriert sich die Publikation auf die Frage von Mobilität, die solche Unterkünfte aufwerfen, als komplexen Prozess. Die Herausgeber schreiben dazu: „(Im-)Mobilisierung rekurriert unter anderem auf die (politische) Strategie, die den Zugang zu den nötigen Ressourcen für räumliche und soziale Mobilität ermöglicht oder verhindert. Die Unterbringung geflüchteter Menschen in Lagern ist für uns kein Endpunkt, kein finaler Zustand, der erreicht wurde. Vielmehr stellt dieser Zeitraum nur eine einzelne weitere Station in der Mobilitätsbiographie geflüchteter Menschen dar, viele weitere sind ihr vor- und nachgelagert.“

Die Autorinnen und Autoren des Bandes gehen neben Grundlagen zur Gesamtthematik auf verschiedene Einzelaspekte ein – sowohl im Hinblick auf Deutschland als auch andere EU-Staaten. Von Fragen der Bildung unter den Bedingungen von Lagern über den Klimawandel als treibende Kraft von Fluchtmigration bis hin zur Rolle von Medien und Öffentlichkeit.

Julia Devlin, Tanja Evers, Simon Goebel (Hrsg.): Praktiken der (Im-)Mobilisierung. Lager, Sammelunterkünfte und Ankerzentren im Kontext von Asylregimen. Bielefeld 2021 (transcript verlag), 472 Seiten, 44 Euro.

Der Band steht auch als Open-Access-Publikation auf der Homepage des Verlages (www.transcript-verlag.de) kostenlos zum Download als PDF zur Verfügung.