Das verbindliche Schulpraktikum sei in der jetzigen Situation ein institutioneller Knotenpunkt, damit Lehrkräfte, Dozierende und Studierende miteinander Wege finden, um trotz allem einen attraktiven Unterricht zu gestalten. „Die Herausforderung besteht darin, dass bislang für diese Form des Unterrichtens noch keine durchgängige Didaktik existiert“, so Böttger. Sein Team hat jedoch Expertise etwa durch Seminare für die Virtuelle Hochschule Bayern, in denen für Studierende aller Universitäten fachdidaktische Inhalte virtuell aufbereitet werden. Die zentrale didaktische Aufgabe bestehe darin, Lehrkräfte nicht nur technisch zu schulen, sondern auch neue Aufgabenformate zu entwickeln, die der Situation gerecht werden. So wechseln sich für die Schülerinnen und Schüler Phasen des individuellen Bearbeitens von Aufgaben ab mit der Vertiefung im direkten Dialog zu den Lehrkräften am Bildschirm. Für Schülerinnen und Schüler, die nicht über geeigneten Endgeräte verfügen, organisiert die Professur entsprechend Ersatz.
Für den Austausch per Video kommt insbesondere die lizenzfreie Plattform „Big Blue Button“ zum Einsatz, die etwa auch den Schulen vom Landkreis Eichstätt zur Verfügung gestellt wird. Bei der Entwicklung von geeignetem Unterrichtsstoff und der Planung von Unterrichtsstunden werden die rund 40 Studierenden von Dorothea Kunz und Dr. Sandra Stadler-Heer als Mitarbeiterinnen der Professur für Englischdidaktik begleitet. „Wenn wir nicht jetzt die Chance ergreifen, die Situation aktiv zu gestalten, wann dann? Die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, ist in den letzten Wochen kontinuierlich gestiegen“, sagt Kunz. „Gemeinsam mit Studierenden und Lehrkräften arbeiten wir uns nun mit großem Engagement und Motivation Schritt für Schritt vor“, betont auch Stadler-Heer.
Die Weißenburger Grundschullehrerin Tanja Greul nimmt mit ihrer vierten Klasse an der Kooperation teil. „Die didaktische Herausforderung liegt darin, dass viele eingeführte Rituale, Sozialformen und Methoden in der bisherigen Form nicht möglich sind und man über sinnvolle und praktikable Alternativen oder Anpassungen nachdenken muss. Der Vorteil des virtuellen Klassenzimmers liegt darin, dass die Schüler Stück für Stück mit den digitalen Möglichkeiten vertraut gemacht werden und stetig ihre Medienkompetenzen erweitern“, erklärt sie und betont, dass die Elternschaft sie tatkräftig unterstütze. Da die Studentinnen in ihren Seminaren gut auf den digitalen Unterricht vorbereitet würden, könne man voneinander lernen und Wissen austauschen.
„Über den virtuellen Unterricht können mich die Kinder als Lehrkraft bei der Aussprache der Wörter beobachten. Ebenso kann ich die Aussprache der Kinder überprüfen und korrigieren und so vermeiden, dass sich eine fehlerhafte Aussprache einschleift“, ergänzt Christine Wisgott von der Grundschule in Dollnstein. Außerhalb des Video-Unterrichts könnten sich die Schülerinnen und Schüler dann wiederum eigenständig mit schriftlichen Aufgaben beschäftigen. Die Studentin Johanna Altmann ist positiv von den Dollnsteiner Grundschülern überrascht: „Die Kinder kennen sich schon gut mit den technischen Funktionen aus und haben sich vorbildlich gemeldet. Auch wenn mir der gewohnte Kontakt fehlt, finde ich diese Art von Unterricht sehr spannend. Wie können in dieser Zeit die Fülle an technischen Möglichkeiten ausprobieren und gleichzeitig mithelfen.“ Für ihre Kommilitonin Elisa Schuster ist es außerdem positiv, dass die Kinder wieder zusammen lernen können: „So kann neuer Schulstoff leichter durchgenommen werden, da die Schülerinnen und Schüler wieder direkte Erklärungen und Präsentationen der Lehrer erhalten.“
Perspektivisch kann sich Professor Böttger vorstellen, dass „digital live distance teaching“ gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Situation künftig zu einem festen Bestandteil der Lehramtsausbildung werden könnte.