„Der Weg in die Wissenschaft war keine Entscheidung gegen den Journalismus, sondern ergab sich aus der Freude am wissenschaftlichen Arbeiten, vor allem empirischen Forschen, und auch aus persönlichen Begegnungen. Ich genieße es, mich im Vergleich zum tagesaktuellen Geschäft des Journalismus langfristig in eine Materie einarbeiten zu können“, schildert Professorin Sehl.
Massenmedien und Journalismus haben für sie eine elementare Rolle für das Funktionieren von Demokratie und erbringen wesentliche Funktionen für die Gesellschaft. Dazu zählen vor allem zu informieren, zur Meinungsbildung beizutragen und eine Kritik- und Kontrollfunktion wahrzunehmen. Gleichwohl habe sich das Mediennutzungsverhalten geändert. Hinzu komme eine angewachsene Gruppe von Menschen, die Nachrichten aus dem Weg gingen. Gleichzeitig seien journalistische Kapazitäten durch finanziellen Druck abgebaut worden. Umso wichtiger sei es, sicherzustellen, dass qualitativ hochwertige Informationen auch weiterhin Bestand haben – gerade auch im lokalen Umfeld. „Guter Lokaljournalismus zeichnet sich für mich dadurch aus, dass er kein reiner Terminjournalismus ist, sondern Themen und Geschichten aufspürt, die für die Menschen vor Ort relevant für ihren Alltag und ihr Zusammenleben sind“, so Sehl. Zudem gelte es auch im Lokalen, sich digital weiterzuentwickeln – sowohl im Hinblick auf die Ausspielkanäle als auch die Darstellungsformen. So gebe es etwa auch in kleinen Redaktionen Potenziale für Datenjournalismus, die Grundlage für Geschichten sein können. Ein Münchner Journalist habe etwa die latenten Verspätungen der S-Bahn zum Anlass genommen, um den Fußweg zwischen den Stationen mit Google-Maps zu erfassen. Die Nutzerinnen und Nutzer hätten so im Fall einer Verspätung entscheiden können, ob es sich lohne, auf die verspätete Bahn zu warten oder zu Fuß zu gehen. Auch die Polarisierung und Konflikte in der Gesellschaft könnten gerade im Lokaljournalismus zum Anlass genommen werden, um Menschen ins Gespräch zu bringen.
Einen Forschungsschwerpunkt von Professorin Sehl spielt die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, an dem es einerseits aktuell „berechtigte Kritik“ gebe, er gleichzeitig aber – auch in anderen europäischen Ländern – von populistischen Kräften einseitig angefeindet werde: „Diese beklagen einerseits, nicht ausreichend repräsentiert zu werden, verweigern aber gleichzeitig Vielfalt, wenn nicht die eigene Meinung im Vordergrund der Berichterstattung steht.“ Im Hinblick auf die ebenfalls debattierte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wirbt Sehl für eine transparente Diskussion. „Das Argument mancher, man wolle wie bei einem Streamingdienst nur bezahlen, was man nutze, greift nicht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird bewusst nicht selten als meritorisches Gut bezeichnet, weil er wichtig ist für die Gesellschaft. Nichtsdestotrotz sind strukturelle Reformen notwendig“, so Sehl. Generell will Professorin Sehl außerdem der Frage nachgehen, wie sich Digitalisierung nutzen lässt, um Journalismus und das Zusammenleben in der demokratischen Gesellschaft zu verbessern. Dazu möchte sie auch den Rahmen des Zentrums für Ethik der Medien und der Digitalen Gesellschaft nutzen, das ihr Vorgänger als Kooperation mit der Hochschule für Philosophie München mitbegründet hat.