Sehl neue Inhaberin des Lehrstuhls für Journalistik mit Schwerpunkt Medienstrukturen und Gesellschaft

Prof. Dr. Annika Sehl (41) ist an der KU neue Inhaberin des Lehrstuhls für Journalistik mit dem Schwerpunkt Medienstrukturen und Gesellschaft. Sehl studierte selbst Journalistik an der Technischen Universität Dortmund und volontierte während des Studiums beim Nachrichtensender N24. Vor ihrer Berufung an die KU war sie Professorin für Digitalen Journalismus an der Universität der Bundeswehr München. Als Dozentin bzw. Lehrstuhlvertreterin war sie unter anderem in Dortmund und Hamburg tätig. Darüber hinaus hat sie internationale Forschungs- und Lehrerfahrung gesammelt, unter anderem an der englischen University of Oxford, der amerikanischen Northwestern University in Evanston/Illinois, der University of Ghent in Belgien, der University of Gothenburg in Schweden sowie der polnischen University of Lower Silesia in Breslau. Professorin Sehl ist Mitglied im Herausgeberteam der „drehscheibe“ – einem Servicemagazin für Lokaljournalisten. Außerdem ist sie Chair der Journalism Studies Division in der Fachgesellschaft International Communication Association (ICA) und damit der größten Gruppe von Journalismusforscherinnen und -forschern weltweit.

„Der Weg in die Wissenschaft war keine Entscheidung gegen den Journalismus, sondern ergab sich aus der Freude am wissenschaftlichen Arbeiten, vor allem empirischen Forschen, und auch aus persönlichen Begegnungen. Ich genieße es, mich im Vergleich zum tagesaktuellen Geschäft des Journalismus langfristig in eine Materie einarbeiten zu können“, schildert Professorin Sehl.

Massenmedien und Journalismus haben für sie eine elementare Rolle für das Funktionieren von Demokratie und erbringen wesentliche Funktionen für die Gesellschaft. Dazu zählen vor allem zu informieren, zur Meinungsbildung beizutragen und eine Kritik- und Kontrollfunktion wahrzunehmen. Gleichwohl habe sich das Mediennutzungsverhalten geändert. Hinzu komme eine angewachsene Gruppe von Menschen, die Nachrichten aus dem Weg gingen. Gleichzeitig seien journalistische Kapazitäten durch finanziellen Druck abgebaut worden. Umso wichtiger sei es, sicherzustellen, dass qualitativ hochwertige Informationen auch weiterhin Bestand haben – gerade auch im lokalen Umfeld. „Guter Lokaljournalismus zeichnet sich für mich dadurch aus, dass er kein reiner Terminjournalismus ist, sondern Themen und Geschichten aufspürt, die für die Menschen vor Ort relevant für ihren Alltag und ihr Zusammenleben sind“, so Sehl. Zudem gelte es auch im Lokalen, sich digital weiterzuentwickeln – sowohl im Hinblick auf die Ausspielkanäle als auch die Darstellungsformen. So gebe es etwa auch in kleinen Redaktionen Potenziale für Datenjournalismus, die Grundlage für Geschichten sein können. Ein Münchner Journalist habe etwa die latenten Verspätungen der S-Bahn zum Anlass genommen, um den Fußweg zwischen den Stationen mit Google-Maps zu erfassen. Die Nutzerinnen und Nutzer hätten so im Fall einer Verspätung entscheiden können, ob es sich lohne, auf die verspätete Bahn zu warten oder zu Fuß zu gehen. Auch die Polarisierung und Konflikte in der Gesellschaft könnten gerade im Lokaljournalismus zum Anlass genommen werden, um Menschen ins Gespräch zu bringen.

Einen Forschungsschwerpunkt von Professorin Sehl spielt die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, an dem es einerseits aktuell „berechtigte Kritik“ gebe, er gleichzeitig aber – auch in anderen europäischen Ländern – von populistischen Kräften einseitig angefeindet werde: „Diese beklagen einerseits, nicht ausreichend repräsentiert zu werden, verweigern aber gleichzeitig Vielfalt, wenn nicht die eigene Meinung im Vordergrund der Berichterstattung steht.“ Im Hinblick auf die ebenfalls debattierte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wirbt Sehl für eine transparente Diskussion. „Das Argument mancher, man wolle wie bei einem Streamingdienst nur bezahlen, was man nutze, greift nicht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird bewusst nicht selten als meritorisches Gut bezeichnet, weil er wichtig ist für die Gesellschaft. Nichtsdestotrotz sind strukturelle Reformen notwendig“, so Sehl. Generell will Professorin Sehl außerdem der Frage nachgehen, wie sich Digitalisierung nutzen lässt, um Journalismus und das Zusammenleben in der demokratischen Gesellschaft zu verbessern. Dazu möchte sie auch den Rahmen des Zentrums für Ethik der Medien und der Digitalen Gesellschaft nutzen, das ihr Vorgänger als Kooperation mit der Hochschule für Philosophie München mitbegründet hat.