So nachhaltig denkt und handelt die Jugend in der Region Ingolstadt

Junge Menschen stehen im Zentrum der nachhaltigen Entwicklung, auf ihnen liegt viel Hoffnung und Last zugleich. Doch wie groß ist das Nachhaltigkeitsbewusstsein der jungen Generation tatsächlich? Und wie groß ihre Bereitschaft zu nachhaltigem Konsum? Dr. Ann-Kathrin Bremer untersuchte das in ihrer Doktorarbeit für die Region Ingolstadt. Die Befragung ergab, dass das Nachhaltigkeitsbewusstsein zwar hoch ist, aber nicht immer zu nachhaltigem Verhalten führt. Eine Schlüsselrolle spielen das Erleben von Selbstwirksamkeit – und „Fridays for Future“.

Ann-Kathrin Bremer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Geographiedidaktik und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sowie im Service Learning-Projekt „Senatra“. Ihre verschiedenen Forschungsinteressen vereinte sie in ihrem Promotionsprojekt. Während viele Forschende sich auf Umweltbewusstsein konzentrierten, legte Bremer den Fokus auf das breitere Konzept des Nachhaltigkeitsbewusstseins, das nicht nur die ökologische Perspektive einbezieht, sondern auch die soziale und wirtschaftliche. „Nachhaltigkeitsbewusstsein umfasst Wissen, Einstellungen und Verhaltensintentionen“, erklärt Bremer. Die Herausforderung liege vor allem im letzten Schritt. „Das Wissen um den Klimawandel und dass es mir wichtig ist, Maßnahmen dagegen zu treffen, führen nicht zwangsläufig dazu, dass ich meinen Ernährungsstil klimafreundlicher gestalte oder das Auto weniger nutze.“ Wie in ähnlichen Arbeiten beobachtete auch Bremer in ihrer Studie eine Einstellungs-Verhaltens-Diskrepanz.

An der Online-Befragung im Sommer 2021 beteiligten sich 195 Personen zwischen 14 und 25 Jahren aus der Region Ingolstadt. Die Teilnehmenden zeichneten sich durch hohe Werte aus, was Wissen und nachhaltige Einstellungen anbelangt. Doch die Verhaltensintentionen, erfasst beispielsweise über den nachhaltigen Konsum, sackten deutlich ab. „Der Weg von Wissen über Einstellungen zum Handeln ist nicht linear, vielmehr spielen Gewohnheiten, Normen und Rahmenbedingungen des Handelns eine Rolle“, erläutert Ann-Kathrin Bremer. „Ein weiterer Faktor ist die Selbstwirksamkeitserwartung – also der Glaube, durch das eigene Verhalten etwas bewirken zu können.“ Entsprechend hat die Pädagogin und Geographin diesen Faktor explizit miterhoben. Für die Region Ingolstadt konnte sie so herausfinden, dass die Befragten insgesamt ihre Selbstwirksamkeit eher gering einschätzten. Wer aber eine höhere Selbstwirksamkeitserwartung hatte, hatte zugleich eine stärkere Intention, sich nachhaltig zu verhalten. Die Schlussfolgerung liegt für die Wissenschaftlerin auf der Hand: „Wer nachhaltiges Verhalten fördern möchte, sollte die Selbstwirksamkeitserwartung junger Menschen stärken.“ 

Dr. Ann-Kathrin Bremer
Dr. Ann-Kathrin Bremer

Spannend war für Bremer daher vor allem die Suche nach Faktoren, die Einfluss auf die Selbstwirksamkeitserwartung haben. Einen deutlichen Unterschied machte es, ob die Befragten sich im Nachhaltigkeitskontext engagierten – ganz konkret beispielsweise bei „Fridays for Future“ (FFF). Diejenigen, die angaben, FFF gar nicht zu kennen, hatten eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung. Die Personen, die großes Interesse an FFF zeigten und kurz davor standen, sich aktiv dort einzubringen, hatten dagegen eine sehr hohe Selbstwirksamkeitserwartung – signifikant höher sogar als diejenigen, die sich bereits engagierten. Ähnliches konnte die KU-Forscherin auch für die Nähe zu „Greenpeace“ abbilden. „Das legt die Vermutung nahe, dass die Engagierten entweder sehr hohe Ansprüche an ihr Wirken stellen oder sie durch ihr Engagement ernüchtert sind“, ordnet Ann-Kathrin Bremer ein.

Einen deutlichen Einfluss hat das persönliche Engagement laut Bremers Studie auch auf die Lebenszufriedenheit. So zeige die Befragung, dass ein nachhaltiger Lebensstil für die Teilnehmenden insgesamt nicht im Widerspruch zu hoher Lebensqualität steht. Aber: Junge Menschen, die sich stark mit FFF identifizierten, berichteten über eine geringere Lebenszufriedenheit. „Zurückführen lässt sich das möglicherwiese auf striktere Maßstäbe, die diese Personen an ihr Verhalten und ihre Umwelt anlegen“, sagt die Wissenschaftlerin. „Das verdeutlicht die Herausforderungen eines intensiven Engagements.“

Basierend auf ihren Ergebnissen formulierte Bremer Empfehlungen für die praktische Arbeit im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung. Essenziell sei es, jungen Menschen etwas zuzutrauen: „Wir sollten ihnen auf ihrem Bildungsweg ermöglichen, das Gelernte praktisch umzusetzen und sie mit Feedback- und Reflexionsschleifen eng begleiten.“ Eine gelingende Bildung für nachhaltige Entwicklung müsse das Erfahren von Selbstwirksamkeit ermöglichen: „Ich schlage daher vor, die Methode des Service Learning als eine Art des projektbasierten Lernens mehr in Schule und Universität einzubinden. Junge Menschen entdecken und erfahren hier ihren Handlungsspielraum, ihre Grenzen – und das, was sie am Ende tatsächlich verändern können.“

Die Dissertation von Dr. Ann-Kathrin Bremer ist 2025 unter dem Titel „Nachhaltigkeitsbewusstsein, nachhaltiges Konsumverhalten und Lebensqualität. Die Sicht junger Menschen zwischen 14 und 25 Jahren“ im Verlag Barbara Budrich erschienen (auch Open Access).

Teilnehmende gesucht: Studie zum Nachhaltigkeitsbewusstsein von KU-Studierenden

Im Rahmen seiner Masterarbeit im Studiengang „Geographie: Bildung für nachhaltige Entwicklung“ befragt Darian Eichner derzeit Studierende der KU zum Thema Nachhaltigkeitsbewusstsein. Interessierte können noch bis Ende April hier online an der Studie teilnehmen. Die Umfrage dauert etwa fünf bis zehn Minuten und ist anonym.