Spielend Politik begreifen: Studierende simulieren Gesetzgebungsverfahren der EU
Die politische Struktur der EU theoretisch zu begreifen, ist mühselig und bleibt für Schülerinnen und Schüler auf dem Papier häufig ein abstrakter Themenkomplex. Doch wer die Gelegenheit bekommt, einmal selbst in die Rolle von Abgeordneten oder Kommissarinnen und Kommissaren zu schlüpfen, gestaltet die Prozesse selbst mit und erlebt sie so viel näher. „Deshalb werden Planspiele immer häufiger in der Politikdidaktik eingesetzt“, erklärt Marian Hummel vom der Professur für Politische Bildung/Didaktik der Sozialkunde an der KU. Mit etwa 90 Studierenden hat er nun – verteilt auf zwei Runden – jeweils über zwei Tage hinweg eine Politiksimulation zur Klimapolitik der EU durchgeführt. Ziel dabei war es, nicht nur politisches, sondern auch didaktisches Wissen zu vermitteln. Das Planspiel hat Hummel als Gastdozent der Tutzinger Akademie für Politische Bildung entwickelt, die es Schulklassen als Veranstaltung anbietet.
Inhaltlich konzentriert sich die Simulation auf einen fiktiven Vorschlag der Europäischen Kommission für eine ambitionierte Neuordnung der EU-Klimapolitik. Dabei schwingen übergreifende Fragen mit: Wie kann die EU trotz aller Uneinigkeit dennoch handlungsfähig sein? Und wie lassen sich die Lasten einer gemeinsamen Politik gerecht verteilen? Als Rahmen für die Lehrveranstaltung diente der Sitzungssaal des Landratsamtes Aichach. Dieser ähnelt optisch dem bekannten Rund des EU-Parlamentes und brachte die Teilnehmenden auch atmosphärisch näher an die Thematik. Dazu trug darüber hinaus bei, dass die Studierenden als Politikerinnen und Politikern neue Namen erhielten und sich explizit mit „Sie“ ansprechen mussten – auch in den Kaffeepausen. Zudem schlüpften einige Studierende in die Rolle von Journalistinnen und Journalisten, die den Gesetzgebungsprozess kritisch in einem eigenen Nachrichtenportal begleiteten. Vorab erhielten die Teilnehmenden eingehende Informationen zum Verfahren und eine Beschreibung ihrer Rolle.
Julia Schmökel, die im Interdisziplinären Bachelorstudiengang der KU eingeschrieben ist, hat zwar in der Schule schon einmal an einem Planspiel zu erneuerbaren Energien teilgenommen, jedoch empfand sie die Situation – wie sie schildert – als sehr real: „Ich habe die Rolle der Umweltministerin von Ungarn erhalten und war somit ein Teil des Ministerrates der Europäischen Union. Mein Spielraum war stark begrenzt definiert. Durch die expliziten Vorgaben war es leichter, in der Rolle zu bleiben.“ Als fiktive Umweltministerin von Slowenien war es für Isabelle Kaiser wiederum „heraufordernd, als kleiner Staat die größeren mit Argumenten für die eigenen Anliegen zu überzeugen“.
Ihre Kommilitonin Ronja Miska will Lehrerin werden und wurde im Planspiel als französische Abgeordnete zur Parlamentspräsidentin gewählt. „Ich durfte die Sitzungen moderieren, gleichzeitig aber auch nicht meine Funktion als Fraktionsmitglied vergessen. Es gab Phasen während des Planspiels, bei dem sich Entscheidungsprozesse sehr zogen. Es ist anstrengend, eine Lesung zu leiten, bei der die Mitglieder sich einfach nicht auf einen Kompromiss einigen können. Zudem war uns ja ein zeitlicher Rahmen vorgegeben, den ich letztlich auch einhalten musste“, berichtet sie. Sie und Nina Vogel – ebenfalls Lehramtsstudentin – sehen ein großes Potenzial in Planspielen für die politische Bildung, da man „auch die Schwierigkeiten und die Anspannung dieses Jobs“ kennenlerne. Gerade durch die spielerische und aktive Umsetzung von politischen Themen könne das Interesse bei Schülerinnen und Schülern geweckt und das Gesetzgebungsverfahren verständlicher vermittelt werden.
Dozent Marian Hummel betont, dass das Planspiel nicht nur zum Ziel hatte, den Studierenden Wissen zum komplexen Gesetzgebungsprozess der EU zu vermitteln, sondern auch Einblick in die didaktische Methodik eines Planspiels und den damit verbundenen Aufwand. „Eine Politische Bildung, die nur formal und theoretisch arbeitet, wird dem Themenfeld nicht gerecht. Es gilt, die Debattenkultur zu stärken“, betont er und plädiert dafür, nicht nur die MINT-Fächer zu fördern. Es gelte, auch und gerade dem Bereich der Politikdidaktik mehr Gewicht und mehr Freiräume zu geben. Ein zweitägiges Planspiel sei aufwändig in Vorbereitung und Durchführung. „Häufig braucht es innerhalb eines Kollegiums ein großes Entgegenkommen und Bekenntnis zu diesem Themenbereich, um den Schülerinnen und Schülern trotz begrenzten Stundenrahmens überhaupt ein solches Angebot machen zu können“, schildert Hummel.
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