Theologische Detektivarbeit an einem alttestamentlichen Werk

Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft untersucht derzeit ein Forschungsverbund, an dem auch der Lehrstuhl für Altes Testament der KU beteiligt ist, das alttestamentliche Buch „Jesus Sirach“. Das Projekt war nun Anlass für eine Fachtagung, die der Lehrstuhl im Eichstätter Priesterseminar ausrichtete. Die rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer beschäftigten sich dabei mit „Anthropologie und Theologie des Sirachbuches“.

Dieses Werk aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus ist Zeugnis für das frühjüdische Selbstverständnis und Denken. Inhaltlich gibt es Einblick in die damalige Lebenskultur und gibt Aufschluss über den Einfluss hellenistischen Denkens auf die damalige jüdische Gesellschaft. Da das Buch nie offizieller Teil des jüdischen Kanons wurde, ging seine hebräische Fassung bis auf mittelalterliche Fragmente im Lauf der Jahrhunderte verloren; lediglich griechische, lateinische und syrische Übersetzungen sind überliefert. Diese weichen jedoch so stark voneinander ab, dass man bislang keinen einheitlichen Urtext rekonstruieren konnte. Ziel des Projekts ist daher die Gegenüberstellung der Sprachvarianten in Form einer Synopse. Auf diese Weise wollen die Wissenschaftler Unterschiede und Übereinstimmungen der verschiedenen Varianten unter die Lupe nehmen. „Das Buch Jesus Sirach zeigt uns einen fest im Glauben seines Volkes stehenden Schriftgelehrten, der sich neuen Herausforderungen nicht verschließt, sondern sie auf vielfache Weise aufgreift und darauf eine Antwort zu geben sucht“, erklärte Prof. Dr. Burkard M. Zapff.

Die Wissenschaftler erwarten, dass ihre Arbeit in vielen Forschungsgebieten neue Impulse gibt, z.B. bei Fragen des Einflusses griechischer Philosophie auf die jüdische und christliche Religion oder in Fragen antiker Anthropologie. Religionsgeschichtlich könnten sich Erkenntnisse über das Wechselspiel der aufeinanderstoßenden religiösen Gruppen im antiken und spätantiken Mittelmeerraum gewinnen lassen.